Für dich
du bist den ganzen weiten weg gekommen
mit deinen seidigen wörtern und der erde an den sohlen
und mit der eisenbewehrten scherbe
die du in deiner linken herzkammer verwahrst
ich habe ein kissen gefüllt mit gras und blüten
und die schafwolldecke liegt bereit
der wind zerrt an der stadt doch das muss uns nicht kümmern
lass dein fieber einfach auf dem esstisch liegen
ich wärme deine füße du trägst meinen ring
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Für jeden einzelnen Tag
es gab keinen anfang und es gibt kein ende
du hast mich angeschaut und meine hand berührt
ich habe wasser geholt für dich
wir haben geatmet
wie am tag zuvor
und es war wie zuvor bloß eine winzigkeit leichter
und seitdem ist das so an jedem einzelnen tag
du gehst deinen weg und ich gehe meinen
und keiner von uns geht vom anderen fort
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Für unsere Eltern
zwischen den müttern liegen fast fünfzehn jahre
zwischen den vätern zwei tagesreisen
sie haben unsere knochen gefügt und uns die augen gefärbt
sie haben uns unser alleinsein zugeteilt
und alles was das alleinsein heilt
jeden morgen noch vor der dämmerung
beugen sie sich über uns
dann gehen sie und trösten den traurigen tod
dass er sanft wird und schwebend wie schnee
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Für unsere Kinder
wir haben federn unter ihre herzen gelegt
und ihnen felsen an die füße gebunden
wir haben ihre adern einzeln ausgewaschen
und jede träne für sie vorgeweint
wir wollten sie nicht beschweren
aber wir haben es getan und sie sind gewachsen
sie haben in unserem atem geschlafen
so lange bis es ihr eigener war
wenn sie die augen schließen sind wir da
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Für Scott
er hat sich nach den ersten drei nächten
sein ganzes weh aus dem fell geschüttelt
und hat es unter dem fußboden vergraben
von da an hat er mein weh getragen
und ein stück von deinem
und als ich nicht bei mir war war er bei mir
und als du nicht bei dir warst war er in deinen träumen
wäre er nicht da wäre ich nicht mehr da
und du wärst hinter den rippen wund
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Für die Engel und die Frierenden
dies ist für die die millionenmal zuhören mussten
für die die von ferne gedichte geschickt haben
für die die balsam in den nachtwind gemischt
und rote streifen an die wolken geklebt haben
dies ist für die engel
und die die schwiegen und ihre kalten arme verschränkten
die bekommen ein lächeln
dies ist für die die da waren wo ich nicht war
dies ist für die die da waren wo du nicht warst
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Für den Bussard, der am Morgen des 25. Juli 2015 auf der umgestürzten Eiche im Warper Wald sass und sitzen blieb
ich hätte ihn beinahe berühren können
aus seinen augen rieselte ruhe
auf blatt und halm und borke und mich
einmal hob er die gelbe kralle
da muss er die angst erwischt haben
dann zog er sich plötzlich luft unter die schwingen
und die federn vibrierten und der wald fiel in schweigen
doch er faltete die flügel und legte sie zurück
und sagte deinen namen und sagte dass er bei mir bleibt
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Für mich
dass ich immer blumen auf den tisch stelle
dass ich eine kerze anzünde zum essen
dass ich das kreuz mit dem brotmesser schlage
dass ich das licht durch den tag wandern sehe
dass ich das leben achte
auch meins
das habe ich von dir gelernt
und dass ich nicht mehr traurig bin
von mir
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Für uns
komm wir gehen ein stück und schweigen
dann gehen wir noch ein stück und schweigen wieder
dann reden wir dann biete ich dir meinen arm
und etwas später stehen wir
und halten uns
dann ziehen die wolken und von diesem moment an
wohnt die sonne in dir in mir
jetzt können wir schlafen und wieder wach werden
und tanzen und zu hause sein
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Bert Strebe, geboren 1958 in Hunteburg, zu Hause in Hannover. Jahrzehntelang Redakteur, vor allem bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Erster Gedichtband 1999 bei Eric van der Wal, seitdem literarische Veröffentlichungen in unregelmässigen Abständen. Aufsätze, Reportagen, Porträts für die Zeitung.