Franziska Beyer-Lallauret „Glücksrand“

Verspätung
 

Ich hab mich verirrt
Wimperntusche vergessen
Auf der Treppe
Das Fenster ließ sich nicht
Schließen der Vorhang
Klemmte als Segel
Tuch im Rahmen ich musste
Auf einen Stuhl steigen 
Um die Flatter zu machen
Kann viel erzählen
Von munteren Monden
Verschütt gegangenen
Verben verloren
Geglaubten Schlüsseln
Kann auch behaupten
Ich spiele bloß mit
Der Zeit wenn der Abend
Lang genug wird

 

Innen

Ohne Sonne werfen  
Wir weniger Schatten
Aufeinander dann
Wird es wärmer 
Ich kann dich erkennen
Du bist leichter 
Als Wind du drehst 
Mir am Glücksrand 

 

Auftritt

Unter der Brücke
Weht es mich durch
In unvermutete Richtungen
Ich soll mich erinnern
An große Sprünge Gedächtnis
Lücken übertreten dabei
Komme ich eigentlich aus
Dem Eishaus habe dort Zucker 
Statt Wasser getrunken und
Aufgepasst dass der Überschuss 
Zeit nicht aufs Kleid tropft
Du siehst aus als wolltest du
Mir als erster begegnen
Nur einmal in diesem Leben 
Auf meinen Ostmund
Setze ich einen Rotstift an
Den du für voll nehmen sollst
Du hörst ihn glitzern
Während ich rede

 

Glasfasern

In deinen Armen
Schleppst du eine Reißprobe
Durch die Idylle
Sehnen sind am Zerspringen 
Wir sollten eigentlich
Nicht davon sprechen
Was du am Sonntag machst
Dass Wandern
Kein Sport ist
Dass wir uns beide 
Zu schwer sind du solltest
Eigentlich gar nicht
Mit mir über Sehnen sprechen

 

Unberührbar

Kopierer geben den Geist auf
Was wir schreiben lässt sich kaum
Drucken nichts Schwarzes will halten
Auf einem Weiß das unter ihm bricht
Die Geduld des gesamten Papiers
Hängt nur noch an einem Faden
Keine Silbe hat deine Augen

 

Knapp über Null

Zu kühl für die Jahreszeit 
Sagen sie warten mit Gurkensetzlingen
Der Eisheiligen wegen
Du gießt Wasser ins Glas es könnte sich
Glatt eine Schicht drauf bilden
Ich werde eine Clematis pflanzen sag ich
Streif deinen Kosmos du siehst
Mich an von der Seite als würde sich was
Lichtes bestätigen das du
Schon lange über mich weißt und nie
Ganz glauben konntest

(bisher unveröffentlichte Gedichte)

 

Franziska Beyer-Lallauret, geboren 1977 in Mittweida, wuchs im sächsischen Muldental auf und studierte in Leipzig Germanistik und Französisch. Nach längerem Aufenthalt in der Bretagne lebt sie heute mit ihrer Familie als Deutschlehrerin und Autorin in Avrillé bei Angers an der Loire
Sie schreibt sowohl auf deutsch als auch auf französisch, bzw. überträgt ihre deutschen Texte wie bei ihren beiden letzten Gedichtbänden («Falterfragmente / Poussière de papillon» und «Lauschgoldfisch / Brise Âme», beide dr. ziethen verlag Oschersleben 2022 und 2025) eigenständig ins Französische.
Auszeichnungen: Ulrich-Grasnick-Lyrikpreis 2021 (1. Preis), Shortlist des Bonner Literaturpreises 2021, Finalistin beim Lyrikpreis Meran 2022.
Mitglied der internationalen Lyrikgesellschaft Leipzig e.V., des Friedrich-Bödecker-Kreises und des PEN Deutschland.

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