1
der grenzen ohne
was wäre
wenn die grenzen nicht
gewesen
dein butterblumenkleid
verschmölze
unter meinen füßen
nicht
zu dunklen flecken
dein warmes lachen
wäre
keine einbildung
und
flöße
ohne halt ins
meer
wär
deine stimme noch
so frisch und ohne zaudern
hätt
ich sie noch
gefangen
in meinem
land
in meinem
eigenen
das vorher
doch ein ganzes war
ein einziges
ein großes
ein immerdar
und immer fort
verfließt
dein lachen
deine worte
kenn ich
als
ob sie gestern
noch gesprochen
dein klang so zauberhaft
in meinem ohr
sind meine worte
auch in deinen
so klanghaft
wie die
schätze
aus
den sagen
wölben sich
die neuen
grenzen
ein
in deine worte
und machen
meine
kalt
und bin
sie los
wohl
ob
der grenze
gehe ich
ins neunte jahr
und höre
deine stimme
im flüstern
aller meere
im salzigen
und süßen
wird sie
nimmer ganz
und ich
bin
ohne
deine worte
nicht
mehr
ich
2
was wäre hätten wir die grenzen nicht
ich läg nicht brach
in deinem mutterschoß
verschlöss nicht meine augen
hätt nicht diese angst
zu leben
auf die welt
zu kommen
in der das andere
das fremde
ist
so grausam
abgelehnt
so voller
wut
so voller
hass
so voll
von anderssein
das
ich
nicht
kenn
den hass
noch
nicht
bin
ich
schon
fort
am anderen ufer
teste ich
mein
leben
im
anderen
im
neuen
und
wünschte
meine
fremdheit
nicht
ich möchte weg hier
dein verdammen
ist mir heilig
du
bist
mein letzter grenzpfahl
3
hätten wir die grenze nicht
ich wäre anders
hier
geboren
mein kopf
wär
frei und ohne balken
kein fremdes
machte angst
die
furcht
vor eignem
wäre
weg
nicht hier
im heute
sind
die leute
voll
von abwehr
und der grenze
im kopf
im
eignen
ist ohne denken
ohne sehnsucht
das
ohne
ander
und das eine
such ich
immer
noch
im zweifeln
in der angst
und hass
und
lass nicht
zu
dass
andere
das eine
kriegen
von dem sie träumten
dass es
doch
das ihre
ist
4
hätt deine worte nicht
ich würd sie finden
im graben umgedreht
tief eingepfercht
in dunkle erde
hätt keine ruh
ausgraben würd ich sie
und nehmen
was mir zusteht
du
wärst nicht hier
an meiner seite
ich fänd dich nicht
an diesem ort
dein heiliges
wär schon gegangen
mich hättest du nicht
mitgenommen
an deinen
anderen
ort
wär zuchthaus mir
und auch verwesung
an einem andern
heilgen ort
die schande fühlbar
für das
was war
und doch im eignen
wohnt
5
ich grabe aus
was nicht zu finden
im dunklen tann
im wald beim ort
dort hört ich
deine schreie
du schliefst für stunden
nicht zuhaus
hast deine sachen
ruhig genommen
dein feld
war ausgegrenzt
vom jäger
er hatte
nicht an dich
gedacht
du folgtest
einer fährte
weiß
im schnee
so weiß
im dunklen
war das blut
viel heller
als im morgenschein
du hörtest
deine stimme
rufen
im morgengrauen
voll angst
die jäger
sahen deine spuren
und
hielten
eingeweide
andacht
an deinem grab
dem ausgegrabenen
6
dein atem ist jetzt
zum schluss
war deine spur
im weißen
aufgelöst
das
was du umgegraben
ruht
jetzt
im schweigen
in ruhe
unheilvoller stille
verschwindet diese zeit
fehlt der erinnerung
das gedächtnis
der grausamen erlebnisse
und doch
fühl ich dich heute noch
die zeit ist hier
im wasser fließt
dein atem immer noch
an einem fleck
geschmolzen
mit offnen wunden
zweigeteilt
bereit
in würde
und gerechtigeit
zu tauen
die wichtigkeit des fühlens
der umarmung
der klang der beiden sprachen
eins
dein atem jetzt
(veröffentlicht Karin Pruchas Buch «Anderland I druga dežela»),
Karin Prucha, geboren 1964 in Wien, mit rumänischen, slowenischen und tschechischen Wurzeln, aufgewachsen in Kärnten/Koroška und Wien. Schreibt seit der Kindheit Lyrik und Prosa. Studien der Germanistik, Philosphie, Kultur- und Kommunikationswissenschaften. Coaching-, schauspielerische und Flamencotanz-Ausbildungen. Lebt in Klagenfurt/Celovec. Schriftstellerin, Dramaturgin und Regieassistentin am Theater. 2021 erscheint das jüngste Buch «Anderland I druga dežela» mit literarischen Wasser-Inszenierungen. 2023 das literarisch-musikalisches «Duett asche und haut» als neue performative Form und Zusammenarbeit mit der Musikerin Lena Kolter.
Derzeit Arbeit am Roman «Das Salzige an den Rändern», Lyrikprojekt «Medea», Stück «Anderland I druga dežela» für Poesie, Tanz und Musik.
Beitragsbild © Karin Prucha