Bildbetrachtung zu Hoppers „Four lane road“
Frau steht am Fenster
Frau ruft
Mann hört weg
wirft Schatten an die Wand
als hätte er nichts anderes zu tun
als hätte er keine Spuren zu sichten
kein Haus zu richten (keine Frau zu lieben)
Als müsste er niemals Sprit verkaufen als führen
keine Autos vorbei. So sitzt er da. Konzentriert in sich
versunken mit dem linken Ohr ganz der Frauenstimme
zugewandt – doch dieses Hören trotzig verweigernd.
Niemand kommt vorbei
Niemand wirft Schatten
Niemand kommt und bewegt die Gesichtsmuskeln
Diese Stunde steht ewig da und wirft Schatten an die Wand
Den Mann in den Stuhl
Die Frau ans Fenster
Die Strasse in ihre Linie
Den Himmel in seine Farbe
Den Wald an seinen Rand
Hält er in der linken Hand eine dicke Zigarillo?
Ja, er hält sie und sie brennt langsam nieder.
Dass niemand merkt wie sich die Hitze in die Finger brennt!
In die Hand.
Brennt der Mann?
Brennt die Frau?
Ja, sie brennen und ein jeder brennt für sich.
Kap der guten Hoffnung
An steilen
Klippen
Klappern
Brillenpinguine.
Ein Naturreservat am
Kap der guten Hoffnung.
Da leben Elanenantilopen
Bergzebras Paviane
Baboons Dessies
Schildkröten
Echsen und Strausse.
Südafrika.
Das Kap der Guten Hoffnung
Treibt mich in mein eigenes
Minenfeld absterbender Korallen
Riffe. Sorry Mann, Hoffnung ist
zuweilen grosse Lüge,
stinkende Brühe. Was wir alles
zu retten meinen mit der Hoffnung.
Bergzebra gegen Milchzahn.
Milchpulver gegen Muttermilch.
An steilen Klippen klappern
Brillenpinguine. Lass sie laufen,
alte Kolonialistin.
Auf dem Spaziergang
Es klappert im Wind das Signal.
Es wachsen durch Ritzen die Mauerblümchen
Es scheint
Dass die Sonne Batterien auflädt und den
Brombeeren die Säure raubt.
Sieht so aus
Als seien die Beine
Der Katze rasiert
Wie Seidenstrümpfe so elegant und glatt
Es schaut zurück:
Ein Hund mit ergrautem Schnauz.
Arpade mit Hof (fnung)
hof
hofieren
chauffieren
echauffieren
zitieren
vegetieren
auf dem Hof der Chancengleichheit
zieh ich Schweine auf
Vegetarier stehen
Schlange
Frag nicht
Die Schafgarbe, sie weiß es.
Frag nicht den Kieselstein
Frag vielleicht deine Schwester
Sie klügelt aus
Oder den Spaziergänger
Er bleibt stehen
Das Gedicht
Es motzt sich auf
Das Herz ist stark
doch kennt es nur das Alphabet
der verschlungenen Wege.
Brennende Geduld, sagt Jordi Vilardaga
Am Ufer des kleinen Baches wachsen Brennnesseln. Ich habe
den Impuls, meine Hände hineinzulegen, damit sich der
Schmerz in der Kehle im ganzen Körper verteilt. Das Wasser
fließt sachte dahin,
die Sonne verguckt sich ins Fließen und ich bleibe lange
stehen.
Danach setze ich mich in Bewegung, setze Fuß vor Fuß, bücke
mich nach einem Holzstück, nach einer Katze, setze Fuß vor
Fuß, höre Kinder schreien, sie schreien, ich mache einen
Umweg. Danach hören sie auf zu schreien, ich breche den
Umweg ab, setze Fuß vor Fuß und bin mir nicht sicher das
Nötige zu wissen. Ich denke eher, dass die Brennnesseln
fähiger sind, sich ihrer Entfaltung zu widmen.
Überall werden alte Häuser abgebrochen, und neue hingestellt.
Woher kommen die Steine? Woher kommt der Zement?
Woher kommen die Arbeitskräfte? Ich bin fast sicher, dass die
Antworten nahe liegen, aber ich erkenne sie nicht.
Dann beginnen die Kirchenglocken zu läuten, es ist
Samstagabend.
Eine Ameise sucht irritiert einen neuen Weg, die Hecke wurde
entfernt, die Bäume gefällt.
Ruth Loosli, geboren 1959 in Aarberg und im Seeland aufgewachsen. Sie hat drei erwachsene Kinder und ist ausgebildete Primarlehrerin. Seit einigen Jahren lebt und arbeitet sie in Winterthur. Sie veröffentlicht in Anthologien und Literaturzeitschriften. Ein erster Gedichtband «Aber die Häuser stehen noch» erschien 2009. Es folgte im Wolfbach Verlag 2011 «Wila, Geschichten» und 2016 der Lyrikband «Berge falten«. 2019 brachte der Waldgut Verlag den Lyrikband «Hungrige Tastatur» heraus. Im Frühling 2021 ist im Caracol Verlag der erste Roman erschienen: «Mojas Stimmen«.
Beitragsbild © Vanessa Püntener