I. Wassergang
Eins ist Schwarm und Schwarm ist eins
Unter den Flossen raue Rampen so steigen
Beigezeiten abertausend Glasaalkinder
über ihre Sohlengleiten
Wir haben Oberwasser
Räderschlagend mahlt und wendet
ein Mühlenstein
das Dreistromland
Im Mäanderbecken schwankt der Spiegel
Doppelhelix formt den Turmfischpass
Stromaufwärts Archimedes Kronenhaupt
Kann die Wanderlinge singen hören
Ich halte eine Muschel an mein Ohr
Effervo. Aqua. Laborare.
Mit Laufwasser leise tröpfelnd
Hingetreten
Auf was sich an den Stufen staut
Fällt was gesammelt in den Schacht
II. Windfrequenzen
Schlag auf Schlag trifft
Uns ein Schatten
Schneisen in den Vogelflug
Ein Windmühlband am Hügelrand
Der Kampf beginnt
Grün klagt grün
Und nichts wird grüner
Strukturelle Festigkeit
Das letzte Opfer ist die Landschaft
Wucht und Unwucht hängt sich an die Rotorblätter
Altersmüder Großwindräder
Viertel des Jahrhunderts später
Wenn ein Schild bestimmt
Neglegere. Vento intermisso.
Unhörbar kommt ein Schall gekrochen
Wir halten fest
An Nichts das bleibt
Alles steht hier nur zur Pacht
III. Lichtvolten
Eins in einer Milliarde
Härchen auf deinem feinen Nacken
Glühwurmenden in der Abendstunde
wenn du auf den Schindeln kniest
Der Winkel stimmt
Faltergleich hebt und senkt
ein Sonnenwind
die neuen Flügel
Der Tag verebbt in kurzen Wellen
Metall zieht sich durch Metall
Du stehst frei Hand auf meinem Giebel
und drehst dem Wetterhahn
eine Zauberformel in sein Ohr
Iridie, Platina, lucescit!
Die Zukunft ist aus Sand gebaut
mit Sonnenhonig prall
die blauen Waben
Auf jeden Morgen folgt die Tracht
Cornelia Travnicek, geboren 1987, lebt in Niederösterreich. Studium der Sinologie und Informatik, arbeitet als Researcher in einem Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung. Für ihre literarischen Arbeiten wurde sie vielfach ausgezeichnet. 2012 erschien mit grossem Erfolg ihr Debütroman «Chucks», der 2015 verfilmt wurde. Nach dem Roman «Junge Hunde» (2015) und dem Gedichtband «Parablüh» erschien 2019 ihr erstes Kinderbuch «Zwei dabei» (illustriert von Birgitta Heiskel).
Rezension des Romans «Feenstaub» auf literaturblatt.ch
Beitragsbild © Bogenberger Autorenfotos