Lea Catrina «Mit beiden Händen in der Luft»

Ich habe Elias nie gefragt, woran er glaubt. Wenn ich ihm dabei zusehe, wie er die Erde umgräbt, wie er in der sengenden Hitze jeden anlächelt, der an ihm vorbeigeht, scheint es keine Rolle zu spielen. Es stimmt, was man über Sterbende sagt. Sie haben dieses innere Leuchten, bevor die Dunkelheit sie einholt, Momente reinster Dankbarkeit. Vielleicht weil er jetzt weiß, warum er hier ist. Ich bin hier, weil uns die Zeit davonläuft.
«Sienna», sagen sie, «Sienna, du kannst jetzt nicht tanzen.» Ich kann. Manchmal will ich in die Luft springen und jubeln, aber dann erinnere ich mich daran, dass man auch das nicht tun sollte. Keiner tut das. Schon gar nicht, wenn die Liebe deines Lebens stirbt. Du kannst jetzt nicht tanzen. Ich weiß gar nicht, warum ich das will.

Vor ein paar Monaten ging ich auf eine Party, auf der Elias hätte sein sollen. Nach dem Gymnasium studierte er Landwirtschaft und Literatur, ich Textildesign, zwei Stunden entfernt. Von da an trafen wir uns einmal im Jahr. Er aß Pizza, ich Pasta, wir tranken Bier, später Wein, bis zu dem Punkt, an dem wir einander unsere Liebe gestanden. Nicht wirklich. Nur indem wir nicht nach Hause gingen, er zu seiner Freundin und ich zu Hannah, sondern die ganze Nacht weitersprachen. Unsere Geschichten hörten sich an, als könnten sie in jede Richtung verlaufen.
«Bis bald, meine Sienna», sagte er.

Elias kam nicht zu der Party. Ich war davon ausgegangen, dass er auftauchen würde, wenn ich nur fest genug an ihn dachte, an seine blauen Augen, sein braun gebranntes Gesicht, seinen blonden Irokesenhaarschnitt.

Er war, ist noch immer, der unzuverlässigste Mensch, den ich kenne. In seinem Kopf schwirren zu viele Ideen durcheinander. Offensichtlich sieht er sich dazu gezwungen, sie alle zu erkunden. Er spricht von Erdbeeren für den nächsten Frühling, von kleinen Tomaten, die man wie Geranien in den Fensterkästen ziehen kann. Ich stehe auf und sage: «Hör mal auf, sei hier bei mir, die Zeit läuft uns davon.» Aber das interessiert ihn nicht. Er gräbt weiter die Erde um.
«Sie läuft uns nicht davon. Sie kommt uns entgegen», sagt er.
«Ja, genau!»
«Nein, Sienna. Du verstehst nicht. Sie hat mir dich gebracht.» Er kommt auf mich zu, greift nach dem beschlagenen Wasserglas und leert es in einem Zug. Dann nimmt er meine Hand und küsst die weißen Knöchel, einen nach dem anderen.

Die Zeit, die Zeit. Auch Hannah hatte sie gespürt. Fünf Jahre wohnten wir zusammen, sie in ihrem Zimmer am Ende des Ganges, ich in dem zwischen Küche und Wohnraum, bevor ich meine Sachen packte.
Mir war damals nicht klar, dass mein bisheriges Leben mich auf das vorbereiten sollte, was noch kommen würde. Und dass der leichte Teil vorbei war. Als sie an dem Abend nach Hause kam, nicht direkt Musik auflegte und sich stattdessen in meinen Türrahmen stellte, begann der Teil danach. Bei Hannah muss man mit allem rechnen.
«Ich werde vierunddreißig, Schätzchen», sagte sie. «Ich habe keinen Bock noch länger zu warten. Heutzutage braucht man eh keinen Mann mehr, um ein Kind zu bekommen.»
«Bist du dir sicher? Du willst alleine ein Kind großziehen?»
«Spinnst du? Wir ziehen es zusammen groß. Hier, in unserer Glücksbude, du und ich.»
Gefragt hat sie mich nicht. Hannah fragt nie. Dafür habe ich sie schon immer bewundert.

Am nächsten Tag erhielt ich den Anruf. Schon seltsam, wie ein Schock auf den nächsten folgt. So fand ich mich wieder, zwischen Hannah und Elias, zwischen Leben und Tod.
Eigentlich sind wir doch alle selbst schuld. Wir wollen nur lachen oder weinen und alles dazwischen hat keine Bedeutung. Es ist eben nur das Dazwischen.
Zwischen, zwischen. Erinnert mich an das Zischen der Bügelpresse. Man drapiert den Stoff auf die Platte, legt die kleinen Ausschnitte darauf, so wie es einem gefällt, mit der Klebefläche nach unten, dann drückt man zu. Hinterher ist es, als wären die vielen Einzelteile nie getrennt gewesen.
Elias legt die Harke weg und setzt sich zu mir in den Schatten.

Als der erste Schnee fällt, sind wir wieder an der gleichen Stelle unter dem Ahorn, der im Sommer begonnen hat, das Haus zu fressen. Jetzt, ohne die Blätter, sieht es eher nach einer Umarmung aus. Lieben ist so viel einfacher, als sich lieben zu lassen.
«Ich halte nicht viel von der Ehe», sagt Elias, «aber da unsere sowieso kurz sein wird, sollten wir vielleicht heiraten.» Noch so eine Idee. Wieder will ich tanzen, jubeln.
Höchstens ein Jahr, hatten sie gemeint. Wie kommen die immer auf so was? Ich wollte gar nicht wissen, ob es drei Wochen, fünf Monate, ein Jahr oder auch zwei sind. Jede Minute mit ihm ist alles. Ein Jahr ist nichts.

Hannah kommt nicht zur Hochzeit, das hat sie mir geschrieben. «Sorry, Placenta praevia, kannst es ja googeln.» Ich weiß, wenn sie lügt.

Im Trauzimmer ist es still. Die Standesbeamtin raschelt mit dem Papier, bevor sie anfängt zu sprechen. Elias hört nicht zu. Er lächelt mich an, flüstert, wie schön ich aussehe, und streichelt mir über den Rücken. Die Standesbeamtin räuspert sich, aber er hört noch immer nicht zu.
«Du bist dran», sage ich.
«Lass mich dich noch einen Moment lang anschauen», sagt er.

Seine Eltern, ein paar Freunde und wir beide sitzen am Tisch. Es ist das einzige Restaurant im Dorf. Natürlich wissen alle, dass wir heute geheiratet haben. Einer nach dem anderen kommen sie, um uns zu gratulieren, bringen Geschenke und stoßen mit uns an. Der Raum füllt sich, wellenartiges Gelächter, ein Glas zerbricht auf dem Plattenboden, die Gemeindepräsidentin hat die Damentoilette vollgekotzt.

Später sitzt keiner mehr. Sie alle stehen in unruhigen Knäueln beieinander. Nur ich, ich sitze noch. Ich bin bis ganz ans Fenster gerückt, weil ich von hier aus alles sehen kann. Ihn sehe ich nicht. Ich spüre, wie sich die Kälte durch den dünnen Spalt reinschleicht und lege meine Finger darauf. Es hat wieder angefangen zu schneien. Das Licht aus dem Lokal landet weich auf der schneebedeckten Straße.
Da ist er, draußen, allein, die Kopfhörer auf, die Augen geschlossen.
Er tanzt. Er tanzt mit beiden Händen in der Luft.

Lea Catrina ist Autorin und Texterin. Sie hat Multimedia Production in Chur sowie Literarisches Schreiben in Zürich studiert. Zudem ist sie seit 2019 Mitglied des Literaturkollektivs «Jetzt». Catrina ist in Flims aufgewachsen, lebt heute in Zürich und verbringt einen Teil des Jahres in der San Francisco Bay Area. Beim Arisverlag ist ihre Roman «Die Schnelligkeit der Dämmerung» erschienen.

«Die Schnelligkeit der Dämmerung», Rezension mit Interview

Webseite der Autorin

Beitragsbild © Oceana Galmarini

Johanna Lier «Zwischenfall»

Leere.

Ich sehe die stille Strasse. Die aufgereihten Wohnblocks. Den Windstoss in dem pinkfarbenen Schirm. Ich sehe sein blitzartiges Auftauchen. Schatten an meiner Seite. Raubtiersprung. Seine Brust auf meinem Rücken.
Ich sehe den jungen Mann in Pullover, Jeans und Sportschuhen weglaufen. Sein tänzelnder Gang, seine aufrechte Körperhaltung, sein Zögern angesichts meiner Schreie und die Wendung seines Kopfes.
Meine Tiertasche in seiner Hand.
Ich sehe meine angezogenen Knie und den Rahmen des Hauseingangs an meiner Wange und wie ich meine Fusssohle festhalte. Ich sehe den Polizisten, der sich hinkauert, den Krankenwagen unter rotierendem Blaulicht. Ich sehe das Tier, das seine Schnauze in meine Jacke drückt, dorthin, wo der junge Mann Hand angelegt hat.

Ich sehe das karierte Nachthemd. Die weissen Strümpfe. Die Zeitungen. Den Tisch am Fenster. Die übrigebliebenen Nahrunsgmittel in Glasschalen.
Ich sehe das Zimmer mit den braunen Vorhängen. Mit den Wanzenkotspuren am Boden. Den schwarzen Flecken auf der Matratze.
Ich sehe meinen bewegungslosen Körper auf dem Bett. Ich sehe, mein unruhiges Herumtigern in der Wohnung. Ich sehe, wie ich für wenige Minuten mich hinsetze, um wieder aufzustehen, um einen neuen Platz zu suchen.

Ich sehe, wie meine Hand nach der Teeschale greift. Ich sehe den umgestürzten Teekrug. Ich sehe, das gelbe Wasser, das sich auf dem Tisch ausbreitete. Ich sehe das Papier, das sich vollsaugt.

Ich sehe die Blüten, die aus dem Baum quellen. Gestern hat der Baum Blüten getrieben. Ich sehe vor dem inneren Auge das, was ich in der Vergangenheit bereits gesehen habe.

Ich höre, wie die Blätter aus dem Baum platzen. bald wird der Baum Blätter treiben. Ich höre das, was ich noch nicht gesehen habe. Ich höre das, was in meinem Bewusstsein noch nicht existiert.

Ich sehe mich im Wohnzimmer sitzen. Im Rücken die Bücherregale. Vor mir die Couch und das Gästebett. Und die Bilder. Ich sehe meine Füsse, die auf dem gegenüberliegenden Stuhl liegen. Ich sehe die blutrote Narbe, die sich um den Knöchel und über den Rist bis zur Sohle zieht. Ich sehe die Wolldecke, die ich um meine Hüfte geschlungen hab. Ich sehe die zwei Teeschalen, die weisse und die schwarze und den grünen Tee. Ich sehe den Bildschirm meines Computers und Filmbilder, die kommen und gehen.

Bestehe ich auf meinem Vorfahrtsrecht, knalle ich gegen die Wand. Schlage ich Nägel in die unberührte, weisse Wand, wage ich es nicht. Löst sich ein Schmerz an der Fusssohle, ist das wegen den Nägeln in den Hufen der Tiere.
Verbrennen die Fusssohlen im Sand zu Mittag am Meer.

Die Gegenwart, ein Nebelstreif zwischen Vergangenheit und Zukunft, so vage, dass sie faktisch nicht existiert. Die Gegenwart, solcherart dünn, dass ein Fuss in der Vergangenheit und der andere in der Zukunft steht.

Ich sehe, wie ich meine Sachen zusammenpacke, wie die maskierten Freunde in der Dunkelheit meine Habseligkeiten raustragen und in die zwei Autos räumen, ich sehe, wie ich im Hinterhof stehe und warte, bis die Wohnung leer ist, wie ich in der Kälte den Mantel über der Brust zusammenziehe, wie die Freunde in der leeren Küche die Masken abnehmen und Bier trinken und auf dem Balkon rauchen.

Ich bin zum Meer gezogen. Die Hütte ist klein. Das Bett bunt. Die Küchenzeile schmal. Die Bäume hoch. Der Blick weit.

Die goldfarbenen Tiere sind gross. Ihre Nacken sind wulstig, die Rücken fleischig, sie riechen nach Pisse, das Fell stachelt oder schmeichelt. Sie gewichten sich schwer an mein Knie.
Sie knurren mich an, wenn ich mich vor dem jungen Mann in Pullover, Jeans und Sportschuhen fürchte und ihm zuschaue, wie er über mich herfällt. Sie bestrafen mich mit ihren gelben Zähnen und ihren nassen Lefzen für meine sündigen Gedanken.

Plätschert das Meer blau, setze ich mich auf die unterste Stufe der hölzernen Treppe, die zum Strand führt. Liegt der Strand leer, füllt sich die Brust mit Glück und ich wühle mit den Händen.

Ich halte dich in Händen, obwohl ich dafür gesorgt hab, dass du nicht da bist.

Hör ich mit hoch erhobenem Kopf in die Zukunft, sehe ich nicht, was unter meinen Füssen soeben geschehen ist. Starre ich zu meinen Füssen und versuche meine Sohlen zu erkennen, die kurz davor die Erde irgendwo berührt haben, höre ich die Zukunft nicht.

Leere.

Aber du machst Lärm. Er liegt in der Luft. Ich hebe den Kopf und höre das Rascheln deiner Hemden. Ich höre, deine leichten schnellen Schritte. Ich höre das zaghafte, aber hungrige Lachen. Ich höre die von Bewusstheit und Gier gesättigte Stimme. Ich höre die Musik. Ich höre deine nackten Füsse auf dem Holzboden. Ich höre die Kleider auf den Sessel fallen, rauschendes Wasser am Morgen, das von deinen Bewegungen unterbrochen die Richtung ändert, das Klacken der Kaffeekanne, heisere, ungeduldige Rufe, meinen Namen, oder eine alberne Verballhornung, die Schluckbewegungen und das Mahlen der Zähne.
Ich höre deine Belehrungen, ich höre deine Erzählungen, ich höre diese kurzen, aufforderden Sätze, die bekunden, dass du zuhörst, ich höre deine Bemühungen mich zu überreden.
Ich höre die Unsicherheit beim Aufzählen deiner Vorzüge. Ich höre den scheuen Triumph im Moment deiner Siege.
Ich höre deine Handinnenfläche an meiner Haut. Ich höre deine Finger in meinem Haar. Deinen Atem.
Ich hab dich so viele Male gesehen. In vergangenen Tagen. Aber das warst nicht du.
Wenn ich hinhöre bist du. Irgendwo. Ich versuche den Kopf in Richtung zu wenden …

Johanna Lier studierte Schauspiel und absolvierte einen Master of Arts in Fine Arts. Nach jahrelanger Tätigkeit als Schauspielerin lebt sie als Dichterin und freie Journalistin in Zürich und unterrichtet kreatives Schreiben an der Kunsthochschule Luzern.

2018 und 2019 verbrachte Johanna Lier mehrere Monate in Griechenland und auf der Insel Lesbos und kam eher zufällig ins Registrierung- und Ausschaffungszentrum Moria. Eine Gewalterfahrung, die eine Antwort erforderte. Die Autorin kehrte nach Moria Camp zurück und begann, basierend auf Kriterien aus James Baldwins Essay «Everybodys Protest Novel», zu recherchieren und zu schreiben.
Neun Männer und Frauen aus dem Lager Moria auf der Insel Lesbos, Geflüchtete und Aktivistinnen, erzählen der Autorin (oder ihrem fiktiven Alter Ego Henny L.), was es braucht, um dort zu überleben. Es geht um Hunger, Kälte, Hitze, Warten, Gewalt und um den radikalen Kontrollverlust über das eigene Leben.
Sie fliehen vor Krieg, Diktatur, Hunger und den Auswirkungen der Klimakatastrophe; manche sind auf der Suche nach einem besseren Leben; sie kommen aus dem Mittleren Osten, aus Südostasien, dem Maghreb und subsaharischen Ländern. Allen ist gemein, dass sie in seeuntüchtigen Gummibooten das Ägäische Meer überqueren und auf den griechischen Inseln in Lagern gefangen gehalten werden, bis entschieden ist, ob sie in Europa Asyl beantragen dürfen – oder ob sie in die Türkei deportiert werden. Das kann Jahre dauern.
Amori. Die Inseln ist keine Chronik der Skandale, sondern ein dokumentarischer Bericht, der mit literarischen Mitteln die Nähe zu den Beteiligten sucht. Jahrhundertealte europäische Praxis wird dokumentiert: die Selektion und das Lager. Die Protagonistinnen und Protagonisten setzen ihr die ganz eigenen Vorstellungen von persönlicher Erfüllung und Freiheit entgegen.

Rezension zu «Wie die Milch aus dem Schaf kommt» auf literaturblatt.ch

Webseite der Autorin

Andri Beyeler «20.30 gleiches Ambiente»

Ein Popduo, bestehend aus Marthe und Mägpi, gastiert in der Kleinstadt, aus deren ländlichem Umfeld Mägpi stammt. Vor gut zehn Jahren hat seine damalige Schülerband, bestehend aus Gwaag, Fink und ihm, in demselben Lokal eines ihrer letzten Konzerte gegeben.

I. Marthe
Mir hocked i eim vo däne Sofas, wo mr immer dinn hocked, und denäbed schtoht ein vo däne Chüelschränk, wo immer denäbed schtönd, au de obligat Täller mit de drei Öpfel, zwei Banane und de Orange ufem Tischli vorem Schpiegel fählt nid, und gliich isch da etz also die Garderobe, wie da nu die Garderobe isch, so wie de Mägpi di ganz letscht Ziit drüber gredt hät, ohni dan er drüber gredt hett, und ich gliich und genau gmärkt ha, dan er nu über da redt.
«Isch okay doh, oder?», frogt de Mägpi. «Doch», säg i und de Mägpi: «Nüt bsunders, aber okay.» –«Doch, hät nid tosche, de erscht Iidruck.» – «Klar ischs eis vo däne Löcher.» – «Es Ässe isch guet gsi.» – «Mol nid, hüt gits, was niemez susch git, wa denn gliich immer s Gliich isch wie überall, bis uf d Sauce villicht.» – «Würkli guet.» – «Schtimmt.» – «Und d Lüüt sind au fründlich.» – «So sind s halt doh», seit de Mägpi und ich: «Du mueschs jo wüsse.»

II. Mägpi
Müest i allwäg scho, und allwäg wüüsst is au, aber ich säg nüt meh dezue, wien i di ganz letscht Ziit nüt meh dezue gseit ha, wenns druf use gloffe isch, öppis meh dezue z säge, da mr hüt z Obed doh, wo d Marthe und ich etz ide Garderobe devo, us irgendere Gegend chömed mr schliesslich alli; überhaupt hockt me bequem i däm neue Sofa, brummt er aagnehm, dä neu Chüelschrank, und da ganz Gmües ufem Tischli vorem Schpiegel gseht au frisch pflückt us. Doh cha d Marthe nu so chli umetrömmele mit de Finger wie de Gwaag denn so chli mit de Sticks, tänk i und tänk dra, wien i tänkt ha: Guet, trömmelet er da nomol dure.
«Wa?», frogt de Gwaag, und ich säg: «Dä Rhythmuswächsel.» – «So», seit de Gwaag und ich: «Wa mr no gänderet händ halt.» – «Da isch nid würkli en Rhythmuswächsel, da isch eifach de Akzänt e biz andersch gleit», seit de Fink und ich: «Hauptsach, es chunnt denn.» – «Chunnt denn so oder so», seit de Gwaag und ich: «Jo, da sowiso.» – «Chunnt denn scho.» – «Klar chunnts denn scho, wie immer alles denn scho chunnt bi dir chunnt immer alles irgendwie», säg i und leg d Gitarre uf d Siite. «Färtig gschtumme?», frogt de Gwaag, und ich säg: «Für s erschte.» – «Scho klar. Und du?», frogt de Gwaag de Fink, wo uf sim Bass no so chli vor sich aneklimperet. «Wa?», frogt de Fink, und de Gwaag frogt: «Am ufwärme?» – «Nid würkli», seit de Fink und de Gwaag: «Natürli.» – «Hät nid schlächt tönt», säg ich und de Gwaag: «Sind jo schliesslich au kän Schportverein.» – «Ämel so wiit wie mes ghört hät.» – «Kä verdammti Junioreabteilig vo wa weiss ich wa für ere Kampfmannschaft.» – «Chönt me villicht öppis drus mache.» – «Wa für e Kampfmannschaft?», frogt de Fink und leit sin Bass wäg. «Nochwuchsband, wenn i da nu scho ghör», seit de Gwaag, und de Fink schtoht uf. «Wa machsch?», frog i, und de Fink macht en Schritt Richtig Türe.

III. Fink
Ich schtoh doh ide Garderobe und schtreck mi dure, no massig Ziit und langsam e chli äng doh inne, sowiso chönt me mol go luege, wär scho doh und öb überhaupt scho öpper; en erschts Mol go seiche sött i au, also use us däm Kabuff doh und über d Bühni dur de Zuschauerruum, wo no nid würkli de Huufe los isch und au no niemert umeschtoht, wo sichs lohne würd, schtoh z bliibe defür, wiiter Richtig Schtäge, und won i die denn grad durue wott, chömed grad zwei die durab, di eint vo ine känn i, märk i, und si, won i nu so vom Gseh känne, chunnt diräkt uf mich zue.
«Und, scho chli ufgregt?», frogt si. «Wa?», frog ich, und si seit: «Du ghörsch doch zu däne, wo etz denn doh.» – «Scho», säg ich und si: «Äbe.» – «Wa?» – «Scho chli ufgregt?» – «Und sälber?» – «Kän Grund dezue, oder?» – «Wa weiss ich.» – «Da würd i gärn wüsse.» – «Wa?» – «Äbe.» – «Chumm, isch guet etz», seit d Nati, und si, won i nu so vom Gseh känne – oder söll i säge: vom Luege – seit: «Guet.» – «Hoi», seit d Nati, und ich säg: «Hoi.» Und d Nati: «Dasch d Charlotte.» Uf da abe d Charlotte: «Hoi.» Denn isch en Momänt lang schtill. «Schö, chömed er cho lose», säg i und d Charlotte: «Öbs schö würd, ghöred mr denn.» – «Sind scho gschpanne», seit d Nati, denn isch en Momänt lang schtill. «Also bis schpöter», säg ich, und d Nati seit: «Jo bis nochane.» – «Bis denn», seit d Charlotte, und ich gang wiiter. Worum dan i nid no gschnäll gfroget ha, öb di andere au no chömed, weiss i allerdings au nid. «So isch er halt», seit d Nati und d Charlotte: «Denn wäred mr etz doh.» – «Oder tuet er zmindscht.»

IV. Charlotte
Wäred mr etz also gliich doh, au wenn mr üs bis zletscht nid würkli einig gsi sind, öb mr söled oder nid und defür is Kino, oder diräkt uf die Fete, aber etz simmr doh, zmindscht d Nati und ich schtönd doh etz vor de Bühni, bis da d Nati denn mol a d Bar goht, und wo da d Corinna und d Nico sind, wär weiss, si chöm e chli schpöter, hät d Corinna gmeint, guet, lueged mr mol, aber lieber wärs mr, ich gsähcht denn d Nico, au wenn die vo Aafang aa degege gsi isch, wan i jo au irgendwie verschtoh cha, aber irgendwie verschtohn is gliich nid. Klar ischs iren Brüeder, wo hüt z Obed doh, nu ischs jo nid nu er, und so wie d Corinna und d Nati verzellt händ, ischs eh vor allem er am Schlagzüüg, wo me nie wüssi, wa alles chös cho vo im; hät zwor vorane uf de Schtäge gar nid so de Iidruck gmacht, villicht eifach nomol froge, wär genau wa schpilt, wenn d Nati denn zrugg isch mitem Bier.
«So, doh wär i wider.»
De Kusi schtreckt mr da Bier ane, wie mr da denn d Nati anegschtreckt hät, fallt mr uf.
«Voilà.»
Und das d Nati und ich denn aber vo öppis anderem gha händ, fallt mr ii.
«Proscht.»
Wien i au etz bi öppis anderem bi weder de Kusi, wo wider aafangt und nomol erklärt, worum da Rock and Roll never dead will:
«Rock and Roll will never dead will…»

Illustration © Andri Beyeler

Andri Beyeler, geboren 1976 in Schaffhausen, lebt in Bern. Mitglied der freien Tanz-Theater-Gruppe Kumpane. Mehrere Theaterstücke, Bearbeitungen und Übertragungen. 2017 wurde er von der Stadt Bern mit dem Welti-Preis für das Drama ausgezeichnet. 2018 erschien bei Der gesunde Menschenversand «Mondscheiner«, eine Ballade.

Beitragsbild © Beat Schweizer

Tommie Bayer «Die Begegnung von Henne und Ei an einem Nachmittag im Kurpark von Badenweiler»

„Ach“, sagt der Mann, der mich eben überholt hat und nun, nach einem Seitenblick, den Kopf zu mir her dreht, „ich verfolge deine Arbeit mit Ver­gnügen.“
Er trägt Cordhosen, ausgetretene Schuhe und einen dieser hellen, beigen Rentneranoraks. Sein schütteres Haar ist weiss, und sein Gesicht hat diesen alterslosen Ausdruck zäher Sportler. Er ähnelt Luis Trenker.
Geschmack ist wichtiger als Benehmen, denke ich und verzeihe ihm das Duzen, nicke mit dem Kopf und lächle, wie immer, wenn jemand mich lobt. Ohnehin gehöre ich der Generation an, die das Duzen einst für ei­nen Fortschritt hielt und sich nur langsam zur Revision früherer Ideale durchringt. Allerdings: wie rede ich ihn an? Der Mann ist sechzig oder siebzig.
„Natürlich auch mit du“, sagt er mit herablassender Geduld, „ich tre­te in der ersten Person Einzahl auf.“ Kann der Gedanken lesen?
„Ja“, sagt er. „Eine der leichteren Übungen.“
Er zieht mich am Arm zu einer Parkbank. Entgeistert folge ich ihm und denke, dass ich, wenn das wirklich stimmt, jetzt nichts mehr denken darf.
„Versuch das gar nicht erst“, sagt er und lächelt.
Ich bin gern in Badenweiler, spaziere durch den Park und stelle mir vor, wie hier früher mondäne Damen, Dichter, Schwindler und Emporkömm­linge, Ausbeuter und Adel über den…
„Ausbeuter“, sagt der alte Mann, „so ein Quatsch. Erschien dir nie der Gedanke plausibel, ich könnte euch mit Bedacht so gebaut haben? Sagt dir der Name Darwin denn gar nichts?“
Will der Typ mir etwa im Ernst weismachen, er sei… er habe… das darf doch wohl nicht wahr sein!
„Doch“, sagt er, „darf es wohl. Du hast die Wahl: glaub‘s, glaub‘s nicht, mir egal, ich bin nicht so empfindlich wie ihr meint.“
Ich wage es kaum ihn anzusehen, aber irgendwie muss ich raus aus dieser verflixten Situation. Er sieht gar nicht aus wie ein Spinner. Aber wie sehen die aus? Spinner gibt‘s in jeder Form. Ich muss ihn loswerden. Schnell und höflich. Vor allem schnell. Ich hebe den Kopf und versuche, das Gesicht aufzusetzen, mit dem ich schon manches geschniegelte Mor­monenpaar Sonntag morgens um elf aus meinem Hausflur komplimen­tiert habe, aber mein Ausdruck blasierter Starre muss dem vollständiger Verblüffung gewichen sein, als ich ihn grinsend vor mir sehe, und er ist umgezogen!
„Da staunst du“, sagt er nur.
Allerdings staune ich. Er hat auf einmal einen Turban auf dem Kopf, Sandalen an den Füssen und ein indisches Gewand am Leib. „Tja“, sagte er und deutet mit dem Daumen auf zwei vorübergehende Inder, „das kommt von denen da.“
„Sie sind ein Zauberer, stimmt‘s? Sie wollen Ihre Tricks an mir pro­bieren“, sage ich. „Noch ein, zwei Wunder, dann geben Sie mir Ihre Karte, sagen Nichts für ungut und laden mich zu Ihrer Vorstellung ein.“
„Du“, sagt er nur.
Ich bin verärgert und fühle mich gehänselt. „Fällt mir schwer, Sie zu duzen, wenn Sie mir diese respekteinflössenden Nummern hier vorführen. Hauen Sie gleich noch ein Fünfmarkstück durch die Tischplatte? Soll ich in meine Brieftasche gucken, und da liegt dann Ihre Visitenkarte?“
„Deine“, sagt er.
„Ich hab keine“, antworte ich trotzig. 
„Keine Tricks, ehrlich.“ Seine Kleidung ist wieder wie vorher. „Und ausserdem, welche Tischplatte überhaupt?“
„Ich kapiere nichts mehr“, sage ich.
„Das fällt mir auch auf.“ In seiner Stimme ist ein Unterton von Spott. „Ich hätte gedacht, dass du ein wenig flinker wärst. Deine Bücher machten mir den Eindruck.“
Jetzt hat er mich wieder. Meine Bücher – wie schön so etwas klingt. Der Mann ist ein Fan und will mich beeindrucken, weil er selbst von mei­ner Arbeit so hingerissen ist. So jemanden fertigt man nicht ruppig ab, das wäre nicht anständig. 
„Ihr seid doch alle gleich“, sagt er seufzend, „die affigsten Ungeheu­er, die man sich vorstellen kann“, aber es klingt verzeihend und so, als freue er sich, den richtigen Knopf gedrückt zu haben. Dass er das weiss, ist mir peinlich.
„Komm schon, so war‘s auch nicht gemeint. Es ist nur, weil du manchmal über mich schreibst und ich bei deinen Texten hin und wieder schmunzeln musste, da dachte ich, ich mach dir eine Freude und sprech dich mal an.“
„Nett“, sage ich, „danke.“
„Na, auf geht‘s, du willst mir doch Fragen stellen. Die Gelegenheit, mich mal persönlich zu sprechen, das ist doch was, oder?“
„Aber ich glaube doch nicht mal an Sie…, dich.“
„Was meinst du, weswegen ich mit dir rede?“
„Weil ich‘s noch nötig habe vielleicht?“ 
„Hör mir gut zu“, jetzt klingt er ernstlich ungehalten. „Meine Zeit will ich nicht mit dir verplempern. Wenn du dich blöd stellst, dann war es das. Ich hatte so eine Vorstellung von amüsantem Geplauder. Auf zähen Dialog, bei dem es nur darum geht, dich von mir zu überzeugen, bin ich nicht scharf. Das ist ein bisschen unter meiner Würde, weisst du?“
„Alles klar“, sage ich, „Du bist es. Ich stell mich nicht mehr stur. Ver­sprochen. Und ich stell dir Fragen. Zum Beispiel die, warum du mit mir sprichst, obwohl ich nicht an dich glaube. Sprichst du nur mit Ungläubi­gen?“
„Ausschliesslich“, sagt er, „ja. Und unter denen am liebsten mit den Künstlern.“
„Und wieso?“
„Die lassen mir ein bisschen mehr Freiheit.“
„Die Künstler?“
„Die Ungläubigen überhaupt. Die haben keine so genaue Vorstel­lung von mir, da ist noch ein bisschen Spielraum zur Entfaltung drin. Und die Künstler haben den Vorteil, mich als Konkurrenz anzusehen, das macht es kurzweiliger. Übrigens, da du davon sprichst, so ungläubig, wie du glaubst, bist du nicht. Die Art, wie du mich angezogen hast, spricht Bände. Dieser Anorak hier: ich bitte dich. Die weissen Haare. Dieser Turnlehrerstil. Du hast sehr wohl eine feste Vorstellung von mir.“
„Soll das heissen, dass du immer so aussiehst, wie sich jemand dich vorstellt? Dass du eine Art Chamäleon bist? Dass die Menschen dich phan­tasieren, und du die Gestalt ihrer Bilder annimmst?“ 
„Brav. Er hat‘s kapiert. Schön, dass du wieder klar bist. Mach einen Test.“
Das ist keine schlechte Idee. Ich muss ihn mir nur vorstellen und prü­fen, ob er sich entsprechend verwandelt. Aber nein, Mist, das geht ja nicht. Er kann doch Gedankenlesen. Das bewiese also gar nichts.
„Bist du immer noch am Beweisen? Ich dachte, das hätten wir hinter uns.“
„Entschuldige“, sage ich betreten.
Er legt seine Hand auf meinen Arm und sagt: „Schau mich an, wenn jemand vorbeikommt. Vielleicht hast du Glück und es ist ein Japaner. Achtung. Da kommen welche. Sogar schön hintereinander, die Versuch­sanordnung stimmt also. Konzentrier dich, dann hast du was zu lachen.“
Bis die drei Spaziergänger nah genug herangekommen sind, frage ich ihn noch, ob er hier wohne, er sagt „Nur zur Zeit, bin auf Kur“, und da passiert uns schon der Erste, ein älterer Herr mit sensiblem Gesicht, einer Baskenmütze und langem, weissem Haar. Ich beobachte meinen Neben­mann genau, und tatsächlich verwandelt er sich blitzschnell in eine rötli­che Wolke voller undefinierbarer Gestalten, ich glaube Tiere zu sehen, ei­nen Baum, eine Art Vulkanausbruch und eine Menge Gewusel, dessen Konturen ich nicht zu erfassen vermag. 
„Pech“, sagt er und hat wieder seine normale Gestalt. „Das war ein Waldorflehrer. Achtung, der Nächste. Pass auf.“
Der Zweite, auch ein älterer Herr, im Pullover und mit einer Akten­tasche unterm Arm, geht mit schnellem Schritt an uns vorbei. Wieder ver­wandelt sich mein Turnlehrer, und sein Anblick wechselt schnell und ab­gehackt wie unter Stroboskoplicht zwischen einem Dreieck mit Auge und dem klassischen, bärtigen, nikolausähnlichen alten Mann. „Na siehst du?“ sagt er und lächelt mich an. „Au, jetzt bin ich selber gespannt. Eine Mutter mit Kind.“
Die Frau geht vorbei. Sie ist jung, trägt ihr Baby in einem Tuch über der Schulter und lächelt mir flüchtig zu. Ich habe keine Zeit, zurückzulä­cheln, oder mich zu wundern, dass sie nur mich und nicht den alten Herrn neben mir beachtet, weil ich seine Verwandlung nicht verpassen will. Es ist unglaublich: Er ist zwei Gestalten gleichzeitig. Die eine sieht ein bisschen aus wie George Clooney oder Cary Grant, aber ich kann mich nicht darauf konzentrieren, denn die andere ist eine riesige weibliche Brust. Ein phä­nomenaler, in seiner Monstrosität befremdlich skurriler Anblick. Ich bin sprachlos.
Er sitzt wieder vor mir in seinem Anorak und lacht von Ohr zu Ohr. „Das war gelungen, auf sowas hab ich gehofft“, sagt er, „das lässt uns den fehlenden Japaner verschmerzen.“
Wir schweigen eine Weile, denn mein Kopf ist jetzt tatsächlich so leer, wie ich ihn noch vor wenigen Minuten gern gehabt hätte. Er wartet geduldig, bis ich wieder soweit gefasst bin, dass ich eine vernünftige Frage stellen kann: „Heisst das, also, begreif ich das richtig, dass die Menschen dich erschaffen? Ihre Vorstellung von dir ist alles, was es gibt?“
„Na, der Gedanke wird dir doch nicht neu sein. Ja, um dir richtig zu antworten, das heisst es.“
„Sehen sie dich?“
„Nur die Künstler. Normale Menschen haben ihre Phantasien nicht als Wirklichkeit vor Augen.“
„Wenn jetzt einer vorbeikäme, der das Geld anbetet, würdest du dann als Tresortür oder Bündel von Scheinen hier liegen?“
„Theoretisch ja“, sagt er, „aber praktisch kommt das nicht vor. Kein Mensch stellt sich mich als Geld vor. Das ist eine Metapher. Hat nichts mit der Realität zu tun.“
„Und bei einem Atheisten?“
„Nichts. Absolut nichts. Da verschwinde ich einfach. Kommt aller­dings sehr selten vor. Echte Atheisten sind sehr, sehr dünn gesät.“
„Halt“, sage ich nach kurzem Nachdenken, „da stimmt doch was nicht. Vorher hast du behauptet, du habest die Menschen so gebaut, dass einer den andern ausbeutet, und jetzt soll ich dir glauben, dass die Men­schen dich erschaffen, entsprechend ihrer Wünsche und Phantasie. Da stimmt doch die Reihenfolge nicht!“ Ich bin stolz auf meine glasklare Lo­gik.
„Du meinst“, sagt er, „wenn ich die Menschen erschaffen habe, dann können sie nicht mich erschaffen haben?“
„Ja“, sage ich. „Genau.“
„Denk noch mal drüber nach. Ich kann sie doch so erschaffen haben, dass sie mich phantasieren, und sie können mich so phantasieren, dass ich sie erschaffen habe. Mit deiner Logik kommst du nicht so weit, wie du glaubst.“
„Hm“, sage ich. 
„Ich muss los.“ Er erhebt sich von der Bank. „War nett mit dir zu plaudern. Hast du noch eine Frage?“
„Ja, halt.“ Ich bin erschrocken, denn da das Eis nun mal gebrochen ist, könnte ich ewig so weiterfragen. „Moment, eine Frage noch: Gibt es dich?“
„Frag dich selber, ich bin deine Idee.“
Er geht, ich bleibe sitzen und rufe ihm nach: „Wenn du meine Idee bist, was ist dann mit dieser Begegnung hier? Ich treff dich, obwohl ich nicht mal an dich glaube. Das kann doch nicht meine Idee sein!“
„Doch“, ruft er fröhlich, „Selbstverständlich. Du musst mal dein Ver­hältnis zu Ideen überprüfen.“
Auf einen Schlag ist er verschwunden. Die späte Blondine im Pelz­mantel, die eben an ihm vorbeiging, das heisst, nur auf ihn zu, muss also ei­ne echte Atheistin sein. Ich hätte Lust, sie darauf anzusprechen, aber mein Bedarf an Gesprächen ist gedeckt. 

Thommie Bayer, 1953 in Esslingen geboren, studierte Malerei und war Liedermacher, bevor er 1984 begann, Stories, Gedichte und Romane zu schreiben. Neben anderen erschienen von ihm «Die gefährliche Frau», «Singvogel», der für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman «Eine kurze Geschichte vom Glück», «Das innere Ausland» und zuletzt «DasGlück meiner Mutter».

Rezensionen von «Das innere Ausland«, «Seltene Affären» und «Das Glück meiner Mutter» auf literaturblatt.ch

Webseite des Autors

Beitragsbild © Peter von Felbert

Zaher Al Jamous «Die Liebe im Militärrat»

Heute vor genau dreissig Jahren und während ich in einer Lektion der Arabischen Sprache den Aufbau eines Satzes an der Wandtafel grammatikalisch erklärte, stürzte plötzlich der Lehrer des Fachs Militärisches ins Klassenzimmer. Er rief schreiend meinen Namen: „Al-Jamous, folge mir sofort, damit wir herausfinden können, wer der Täter ist und wer das Opfer!“ Hätte er den Boden unter meinen Füssen nicht schreiend zum Beben gebracht, hätte ich gedacht, er wäre gekommen, um anstatt meiner Selbst den Satz grammatikalisch auseinanderzunehmen. Doch er zeigte mit dem Finger verächtlich auf mich: ich müsste sofort das Klassenzimmer verlassen. Die Lehrerin für Arabische Sprache unternahm nichts dagegen, ja, sie traute sich nicht mal, nach dem Grund zu fragen. Als ich sie fragend anschaute, wurde mir klar, dass sie von mir nichts anderes erwartete, als den militärisch schreienden Lehrer zu begleiten. Sie sprach kein Wort, ihre strengen Augen jedoch rieten mir, seinen Befehl widerstandslos zu befolgen. Was ich auch auf der Stelle tat.

Ich erinnere mich gut daran, wie er mir befohlen hat, ihm zu folgen und als er die Türe hinter sich zugeschlagen hatte, stiess er mich mit seiner Hand, mit der Absicht, mich zu erniedrigen. Seine verachtenden Worte schlugen wie Blitz und Donner auf meinen Kopf und auf meine Ohren herab. Meine Tränen brachen hervor wie ein Platzregen. „Warum erniedrigen Sie mich so?“, fragte ich ihn weinend. Mein kindliches Auffassungsvermögen konnte seine wütende Antwort kaum erfassen: „Wie kannst du eine solche Frechheit haben, sowas zu fragen?!“ Seiner Auffassung nach hatte ich nicht das Recht, ihn zu fragen, denn was ich „getan“ hatte, war in seinen Augen selbstverständlich ein Verbrechen und darum dürfte ich keine Fragen stellen. Ein weiteres Mal stiess er mich, und zwar auf der Treppe vom zweiten in den ersten Stock. Ich hatte das Glück, das Geländer im letzten Moment beidhändig gefasst zu haben, bevor ich fallen konnte. Für einen Moment konnte ich stehen bleiben. Dann zog er mich an meinen militärischen Kleidern in Richtung des Büros des Schuldirektors. Unglücklicherweise war der meiner Meinung nach offenherzige Direktor nicht anwesend. Ahmad – so hiess der Militärlehrer – öffnete die Türe und stiess mich ein weiteres Mal, so dass ich vorausfiel – direkt vor den Militärrat.

Der Rat bestand aus drei Mitgliedern: Ahmad selbst, der für das Fach Militärisches zuständig war und dessen Name sowie dessen Aussehen ich mein Leben lang nicht mehr vergessen werde; Samira, die Schulsekretärin, die für unsere Schülerdokumentation zuständig war; und Ahmad, der Mathelehrer. Der Letztere verbrachte gerade seine Pause damit, mir zuzusehen, wie ich fast hingerichtet werden sollte. Ich hob meinen Kopf und fragte: „Was soll das alles?“ Ich fragte aber nicht danach, was ich denn getan hätte – ich hatte mir ja nichts zuschulden kommen lassen. „Warum all diese Gewalt?“, fragte ich erneut.

«Wie erlaubst du dir da sowas zu fragen?» antwortete Samira, während sie den Fuss nervös rauf und runter bewegte. In ihrer Hand hielt sie einen Olivenzweig, mit dem sie immer mal wieder Kinder zu schlagen pflegte, die sich nicht rechtzeitig im Schulhof zum militärischen Gruss an Al-Asad einfanden. Die ganze Schule musste dort jeden Morgen mit voller und einiger Stimme „Asad Qa‘iduna ila al-Abad“ – „Asad ist unser Führer bis in alle Ewigkeit“, rufen. Unsere Kinderstimmen waren ständig von den Worten „Asad“ und „Abad“ beherrscht und unser Bewegungsapparat war ebenfalls ständig beherrscht vom militärischen Armhervorstrecken in Richtung des mannigfaltigen Konterfeis des Führers, der in der Schule allgegenwärtig war. Eigentlich sahen wir nicht viel anders aus als die Hitlerjugend. Mit jenem Olivenzweig hatten meine beiden Hände sehr viel Erfahrung, denn Asad war für mich kein einziger Tag lang mein Führer.

„Mit welcher Frechheit wagst du es, uns anzuschauen und zu fragen? Gewalt? Von welcher Gewalt sprichst du!?“ Das ist nur ein kleiner Teil dessen, was du verdienst. Dein Vater und deine Brüder werden dich heute noch auspeitschen, schlagen und einsperren und sie werden eilends diese Schande wieder wettmachen, indem sie dich verheiraten. Du bist sehr frech“, fügte die Lehrerin noch hinzu und sie labte sich daran, wie sie meine Seele ohrfeigte.

„Schande? Von welcher Schande sprechen Sie, Frau Lehrerin?“, fragte ich sie. Ahmad, der Vorsteher des Militärrates, schrie: „Bist du in die Schule gekommen, um hier zu lieben und unmoralische Beziehungen einzugehen!? Du bist so unverschämt!“ Als ich gerade etwas sagen wollte und meinen Mund öffnete, begann anstelle der anderen der Mathematiklehrer, mich zu piesacken und mich niederzumachen. Sie wiederholten: „Wir werden es deinem Vater und deinen sechs Brüdern sagen; der jüngste und der älteste Bruder werden sich dabei abwechseln, dich zu schlagen.“ Also schrie ich ihnen zu: „Macht schnell und ruft sie an, damit mein Leiden bald ein Ende findet!“

Ein Satz durchbohrt mein Gedächtnis

Die Lehrerin sagte: “Natürlich werde ich anrufen, damit ich die Möglichkeit bekomme, zu sehen, wie deine Nase in den Dreck gedrückt wird und nichts wird deine Sünde wegwaschen ausser der Geruch von Blut.” Ich werde ihr Gesicht nie vergessen, als sie diesen Satz sagte, diesen Satz, der sich mir ins Gedächtnis brannte. Sie sagte dies, währendem sie ihre Zähne zusammenbiss wie eine Hyäne.

Samira die Hyäne fauchte ins Telefon und wies meinen Vater an, er solle sofort in die Schule kommen, ohne ihm zu sagen, warum es ging, aber das es sehr eilig wäre. Diese halbe Stunde, die mein Vater brauchte, um zur Schule zu gelangen, kam mir vor wie ein ganzes Jahr. Ahmad der Lehrer schwieg während dieses Jahres keinesfalls, und seine Worte waren schrecklicher als je zuvor. Seine Worte waren wie Steine, die von allen Seiten auf mich hereinprasselten. Schliesslich kam mein Vater zum Militärrat und ich war dort, die kleine Soldatin, die an der Guillotine kniete. Mein Vater eilte zu mir, hob mich hoch, drückte mich an seine Brust, küsste mich auf den Kopf und fragte die anderen wütend: „Warum kniet meine Tochter auf dem Boden!? Ich will sofort eine Antwort!“

Da sagte ihm Samira: “Wenn Sie wüssten, was sie gemacht hat, dann würden Sie sie ohrfeigen, anstatt sie zu drücken und zu küssen.”

„Warum kniet meine Tochter auf dem Boden!?“, schrie mein Vater in ihr Gesicht.

Die Lehrerin beeilte sich, meinem Vater ihr Gift ins Gesicht zu speien und sagte: “Wir fingen einen Liebesbrief ab, der für Ihre Tochter bestimmt war.“ Mein Vater sah mich an und küsste mich noch einmal auf den Kopf. Dies überraschte die Schlange und sie sagte: „Aber ich sagte Ihnen: Wir haben einen Liebesbrief gefunden!“, und sie schaute zum Lehrer des Militärischen, sodass er sprechen sollte. Dieser zog seine Uniform zurecht, holte tief Luft, zog einen Brief aus seiner Hosentasche und sagte: „Als ich der neunten Klasse gerade beibrachte, wie man die Kalaschnikow auseinandernimmt und wieder zusammensetzt, sah ich einen Schüler, wie er einer Mitschülerin diesen Brief zusteckte. Ich riss den Brief aus ihrer Hand, las ihn und es wurde unmissverständlich klar, dass dies ein Liebesbrief war, der an ihre Tochter gerichtet war. Ein Liebesbrief in diesem Alter bedeutet, dass sie in Zukunft unzüchtige Taten begehen wird. So brachte ich Ihre Tochter hierher, da es unsere aller Pflicht ist, Sie davon zu unterrichten, damit Sie diese Schande tilgen.“

Mein Vater nahm einen tiefen Atemzug und schrie in sein Gesicht: „Sie sind derjenige, der die Schande wiedergutmachen muss, Sie Idiot!“

„Ich!? Es ist nicht meine Tochter, die lebendig begraben werden müsste!“, sagte Ahmad der Lehrer.

„Sie sind derjenige, der jemanden lebendig begraben sollte, und zwar sich selbst, Sie Idiot! Geben Sie ihr sofort den Brief!“, befahl mein Vater und zeigte auf mich. „Lies laut vor!“

Ich nahm den Brief entgegen und öffnete ihn und er verströmte sogleich einen zauberhaften Duft. Dies war der erste Brief, den ich von einem Militär anstelle eines Postmanns erhielt. Ahmad der Militärlehrer warf mir Blicke zu wie Kugeln aus Blei und Ahmad der Mathematiklehrer zählte meine letzten Atemzüge und berechnete, wie viele Minuten mir bleiben würden, bis ich diesen Militärrat für immer verlassen und sterben müsste. Ich sah Samira an, die meine Kindheit vergiftet hatte, und begann damit, den ersten Satz zu lesen.

Zaher, mein Schatz حبيبتي زهر

Mein Schatz, ich möchte so gerne dein Herz gewinnen. Seit ich dich zum ersten Mal sah, schlägt mein Herz im Rhythmus deines Namens. Was für ein Glück es ist, deinen Namen aussprechen zu dürfen. Dein Name allein bedeutet Glück. Wie gross doch mein Glück ist. Jeden Morgen versuche ich, dir ‚Guten Morgen‘ zu wünschen, wenn du wie eine Wolke an mir vorbeiziehst. Aber ich stottere, und in meinem Herzen regnet es Traurigkeit. Erneut versuche ich jeweils am Ende des Tages dir bis zur Tür deines Hauses zu folgen, um dir ‚Tschüss‘ zu sagen, aber ich stottere erneut. Jede Nacht versuche ich, mutig zu sein, denn deine Liebe sehnt sich nach einem mutigen jungen Mann. In meinen Träumen habe ich ein Treffen mit dir und flüstere dir Worte der Liebe in dein Ohr. Ich frage mich, wie oft ich dir noch morgens sagen werde, dass ich dich liebe, und wie oft ich dir noch sagen werde, dass ich dich abends vermisse. Ich werde zu dir segeln, währendem sich um mich herum Haie tummeln. Ich weiss, dass der Sturm gegen mein Schiff branden wird, aber ich werde das Ruder auf Kurs halten. Ein Tagtraum sagt mir, dass du als Meerjungfrau am Strand auf mich warten wirst. Ich werde als Prinz anlanden und eine Perlenkrone tragen. Mein Schatz, eile nicht, sodass du deine süsse Stimme nicht an eine der Seeschlangen verlierst. Ich wählte deine Liebe, denn deine Liebe funkelt so schön zwischen den Korallen und den Austern. Nimm meine Hand und tauche mit mir hinab – ich schenke meine Seele dem Wächter des Strandes.

Ich liebe dich, mein Mädchen.


Zahir زاهر

Es herrschte eine Todesstille im Exekutionssaal, jeder sah ins finstere Gesicht des Anderen. Da brach mein Vater die Stille und bat den Militärlehrer, den Zahir zu holen, und zwar ohne ihm weh zu tun, so wie er es mit mir gemacht hatte.

Zahir wurde hereingebracht, zitternd, mit gerötetem Gesicht und schwitzend. Wir wussten nicht, ob Ahmad der Lehrer Zahir beleidigt hatte, bevor er ihn ins Zimmer brachte. Aber er war offensichtlich verängstigt.

Mein Vater fragte ihn: “Hast du diesen Brief geschrieben?” Zahir antwortete nicht, denn er war sich nicht sicher, was da auf ihn zukommen würde. Mein Vater klopfte ihm auf die Schulter und sagte: „Du hast im Brief geschrieben: ‚..deine Liebe benötigt einen mutigen jungen Mann‘ – also, warum jetzt plötzlich so schüchtern?“ Zahir ergriff die Hand meines Vaters, küsste sie und sagte: „Bitte verzeihen Sie mir, ich habe einen Fehler begangen.“

Mein Vater legte den Brief in Zahir’s Hand und sagte noch einmal: “Lies ihn laut vor.” Während Zahir zitternd vorlas, wuchs in den Gesichtern der Mitglieder des Militärrates die Verblüffung. Zahir beendete seinen Brief und der Moment war gekommen, da alle eine Ohrfeige verpasst bekommen sollten. Die erste Ohrfeige kam, als mein Vater sagte: „Entschuldige dich nicht, denn du hast keinen Fehler begangen. Ich bin sehr stolz auf dich. Das nächste Mal, wenn du einen solch schönen Brief an meine Tochter senden möchtest, komm damit zu mir und ich werde ihn unter ihr Kissen legen. Oder gib ihn einem ihrer Brüder. Und stottere morgens nicht.“

„Und ihr, schämt ihr euch etwa nicht!?“, und er richtete das Wort direkt an den Militärlehrer. „Haben Sie etwa nicht eines Tages gelernt, dass man keine Briefe lesen darf, wenn sie nicht Ihren Namen oder etwa Ihre Adresse tragen!? Dieser Brief ist an meine Tochter adressiert und Sie haben nicht das Recht dazu, auch nur einen Buchstaben davon zu lesen! Und Sie“ – und er richtete sich an Samira – „Sie wurden wohl von mir enttäuscht, nicht wahr? Und Sie, Lehrer Ahmad, Sie werden sich beim Zählen definitiv verrechnen – Sie werden niemals herausfinden, wie viele Briefe zu meiner Tochter gelangen werden. Was für eine Schande!“


Der Wächter der Liebe

Ich hatte Zahir bis dahin nie kennengelernt. Es war das erste Zusammentreffen mit ihm, damals im Militärrat, aber es war nicht das Letzte. Während eines ganzen Jahres wartete er jeden Morgen darauf, dass ich aus dem Haus kommen würde, um an meiner Seite gehen zu können. Seit jenem Tag stotterte er nicht mehr, vielmehr wurde er Experte im Zurufen eines Hallos. Er wurde zum Wächter der Liebe, die in seinem Herzen wohnte. Er hat mir seitdem nie mehr geschrieben, sein erster Brief war auch sein Letzter. Ich sagte Zahir, dass ich ihn nicht lieben würde, dass ich zu jung wäre für die Liebe. Es war aber nicht deswegen, dass Zahir keine Briefe mehr schrieb, sondern weil seine Briefe von nun an von seinen Lippen kamen. Es verging kein Tag, an dem Zahir mir nicht seine Liebe bekundete, und jedes Mal kam es mir vor, dass seine Liebe grösser wurde, aber so wuchs auch meine Furcht.

Jahre vergingen und wir wurden älter, und Zahir wartete jeden Morgen am gleichen Ort auf mich.

Und so flogen die Jahre dahin, und ich merkte jeden Morgen mehr, dass eine Militäruniform für mich total unpassend war. Ich brüllte wie ein Büffel in der Herde und fand mich eines Tages verstossen wieder, wie ich da alleine brüllte.


Schweizer Regen und ein Arabischer Kuss, der nach Kardamom schmeckt

Hier, in der Schweiz, im Angesicht der Berge und am Fluss stehend, warf ich den Umhang der Politik ab und warf mir meinen eigenen Mantel über. Dieser Mantel ist leicht und durchsichtig, er sitzt mir gut und behindert meine Bewegungen nicht. Ich kann damit gleichzeitig tanzen und rennen, und der Mantel kann zwei Flügel ausfahren, mit denen ich fliegen kann, hoch hinaus fliegen. Der Mantel faltet sich auch zusammen, damit ich gut landen kann. Wie schön er doch ist! Er ist bestickt mit den Buchstaben des Alphabets. Nun muss ich nicht mehr beweisen, wer das Subjekt ist und wer das Objekt. Ich selbst wähle bloss die Buchstaben aus und vereine sie, ganz ohne einen grammatikalischen Vertrag und ohne eine politische Erlaubnis. Ich lasse die Vermählung der Wörter mit meinem Gesang hochleben. Wie schön ist es doch nun, mein Brüllen!

Er lächelte und sagte zu mir: “Wie sehr ich doch das Wort ‘Al Khwar – das Brüllen’ mag.” Ich antwortete ihm: „Es ist ein weiblicher Büffel, der schreibt, und nicht ein weiblicher Mensch.“ Er küsste mich, währendem ich Kaffee schlürfte und so kam es, dass der Kuss nach Kardamom schmeckte. Es war nicht ein Kuss wie alle anderen Küsse, und ich war ein weiblicher Büffel, also ungleich anderen Menschen.

„Wird die Geschichte so enden?“, frage mich mein Schatz.

„Nein, mein Lieber, Liebesgeschichten enden nicht, sie sind nur ein Anfang.“

Fortsetzung folgt.

Zaher Al Jamous

14/02/2021



Anmerkung für den Leser:

Mein Familienname ist “Al-Jamous”, was auf Arabisch „der Büffel“ bedeutet. Deswegen soll in diesem Text das Wort als „der Büffel“ übersetzt und verstanden werden.
Bevor die Schülerinnen und Schüler in Syrien in ihre Klassenräume gehen, müssen sie morgens vor der Syrischen Flagge salutieren und den Präsidenten Baschar al-Asad hochleben lassen. Früher war es sein Vater, Hafez Al-Asad. Wir haben auch militärische Schulfächer, wo wir die Grundätze des Militärischen lernen wie etwa das Marschieren, sowie auch, wie man eine Waffe auseinander nimmt und wieder zusammensetzt. Auch lernen wir das Benützen der Waffe. Der militärische Unterricht beginnt im siebten Schuljahr, also in der Sekundarschule, und die Schülerinnen und Schüler müssen auch eine militärische Uniform tragen. Sodass wir alle zusammen Soldaten Asads werden sollten – so nannte man uns auch in der Schule.
Der Lehrer des Militärfaches hatte eine irreguläre Autorität über alle anderen. Das bedeutet, dass er in den Herzen der Schülerinnen und Schüler Angst säte, und dies nicht nur durch strenge Anordnungen, die nichts mit Erziehung oder Schule zu tun hatten, sondern auch durch die Militäruniformen. Dies alles ist politische Symbolik, die zum Ziel hat, die Leute dem Diktat des Regimes von Al-Asad und seiner Entourage zu unterwerfen. Es sollte hier auch erwähnt werden, dass diejenigen Schülerinnen und Schüler, die später am Institut für Sport und Militärisches studierten, und die später Lehrerinnen und Lehrer für Militärisches wurden, meist diejenigen waren, die in der Sekundarschule schrecklich abschnitten.

Zaher Al Jamous wurde 1978 in Syrien geboren. Sie studierte englische Literatur an der Universität Damaskus. Sie ist Journalistin, arbeitete für das syrische Fernsehen und unterrichtete Englisch an syrischen Schulen. Al Jamous flüchtete mit ihren drei Kindern in die Schweiz, um in Bern eine zweite Heimat zu finden.

Der Web Magazin www.lucify.ch wurde von hochausgebildeten Frauen mit Migrationshintergrund gegründet, die sich ihren Platz in den Schweizer Medien seit 3 Jahren erfolgreich erkämpft haben und einnehmen. Neben ihrem journalistischen Engagement haben Zaher Al Jamous (Syrien), Maya Taneva (Nordmazedonien), Anna Butan(Russland), und Faten Al Soud (Irak) ihren Beruf als Schriftstellerinnen weiterverfolgt und so wurde ein Teil des Lucify Kollektivs in eine Gesellschaft der Schriftstellerinnen umgewandelt. Die Lucify Schriftstellerinnen sind an Zuwachs interessiert und kreieren ein wichtiges Netzwerk der Schriftstellerinnen mit Migrationshintergrund in der Schweiz.

Olivia Kuderewski «Wenn man in den Westen fährt»

Wenn man in den Westen fährt, hat man die Sonne jeden Morgen im Rücken. Sie treibt einen in den eigenen Schatten und brennt auf den Hinterkopf, bis die Reste des Vorangegangenen verdampfen und träge in der Luft stehen bleiben, während man selbst nur noch ein Motorengeräusch in der Ferne ist.

Jeder, der sagt, ein Land kann man nicht vom Highway aus entdecken, hat recht. Hier muss ja auch gar nichts mehr entdeckt werden. Wenn man aber schnell fährt, über eine gewaltige Landmasse auf einer geraden Umlaufbahn, stundenlang und ununterbrochen, bis auf ein paar Kaffeepausen in den Diner, die immer gleich sind von Ost nach West, dann bekommt man eine Ahnung von der Masse und Oberfläche der Welt. Auf der Umlaufbahn unterwegs zu sein, wird dann interessanter als alle Details im Inneren des Landes, denn man kann hier zusehen, wie sich die Erde in schnellen und groben Zügen umformt, unter einem Himmel, der sich ständig bewegt. Man sieht das Grundgerüst. Man sieht, wie sich die endlosen, flachen Maisfelder, durch deren Halme morsend die Abendsonne blitzt, irgendwann in Hügel verwandeln, und wenn man weiterfährt, sieht man durch die Windschutzscheibe, wie sich eine gezackte Wand aus dem Nichts materialisiert.

Eine Steinwand, die sich wie ein Scherenschnitt auf einen zuschiebt, bis man herunterschalten und hinauffahren muss ins Gebirge. Bis man die Fenster hochfahren muss, weil es immer kühler wird und der Wind schärfer und das Gestein immer grauer, splitternder und härter. Bis man auch die Baumgrenze passiert, dünne Luft, und am höchsten Punkt treibt der schnelle Wind Wolken auf Sichthöhe vorbei, denen man ungläubig hinterherglotzt.

Aber dann fährt man einfach wieder runter. Sieht die blauen Seen in die Täler gegossen, schlängelt sich halsbrecherisch an den Kanten der Abhänge entlang, und die Bäume vermehren sich wieder, stehen wieder dichter, werden zu Wald, Nationalwald, man fährt durch nationale Waldkathedralen, ein Baum nach dem anderen rast vorbei, und man kann die Fenster wieder öffnen, es riecht nach Harz, und man muss weniger und weniger bremsen, irgendwann muss man gar nicht mehr bremsen und rollt erleichtert wieder auf eine Ebene, auf der der Boden immer trockener wird.

Dann tauchen plötzlich diese bizarren Steinformationen auf. Erdrot vor dem jetzt wolkenfreien Himmel. Diese Bogen, die aussehen wie aus dem All gefallen, die der Wind aber eigentlich aus einem Urzeit-Meeresgrund herausgeweht hat, Staubkorn für Staubkorn, und die Canyons tauchen ebenso plötzlich auf, stürzen schockierend neben einem in die Tiefe, dieser viel zu steile Abgrund, an dem man sich ängstlich und mit offenem Mund vorbeistiehlt, weil er so erdzeitalt ist.

Aber selbst das verschwindet wieder, wenn man weiterfährt, und verliert seine Farben. Bleicht aus, bis man in den graugelben Staub kommt, der zu Hügeln zusammengepresst ist, abgerundete Hügel, die der seltene Regen schraffiert, durch die er Netze gezogen hat, die wieder erhärtet und stehen geblieben sind, als Sehnsucht nach dem Wasser, und man fährt die Fenster mit diesem elektrischen Surren wieder nach oben, dreht die Klimaanlage auf Anschlag, fährt einfach weiter, bis es anfängt, vor Hitze zu flimmern am fatamorganischen Horizont unter dem Meeresspiegel, dort, bei den Kakteen und den stacheligen Silberbüschen.

Da kommt man an den Punkt, an dem vor Hitze alles stillsteht. Auch der Wind. Aber wenn man sich nicht davon aufhalten lässt, sich nicht irritieren, einschläfern, umbringen lässt von der Hitze und dem kaum vorhandenen Herzschlag des Landes, wenn man doch weiterfährt, sich langsam hindurchquält, sozusagen über den Tod hinausfährt, ins Jenseitige, wenn man diese lang gezogene Durststrecke aushält, auf der man sich mit der mittlerweile keuchenden Klimaanlage und den fast leeren Wasserkanistern im Kofferraum bedroht, ausgetrocknet, zum Überleben gezwungen fühlt, dann kommen endlich die Palmen.

Man lässt die Fenster wieder herunter, und der Wind streicht einem die Haare aus dem Gesicht, riecht nach feuchtem Salz. Man schaltet das Radio an und singt wieder mit, denn man weiß ja, was kommt, wenn man jetzt weiterfährt, auf direktem Weg, wenn man jetzt noch den Rest schafft, brennend ungeduldig bis ans Ende des Landes, bis an seine Kante, sein Ufer, seine Auflösung im ewig wogenden Meerwasser, in das man sich nach all diesen Strapazen hineingleiten und in dem man sich sauber waschen lässt.

Und während man so fährt, stundenlang, tagelang, wochenlang, geht jeden Morgen die Sonne auf, erreicht ihren Zenit und geht abends wieder unter, und dazwischen – mal schwarz wie ein geschlossener Vorhang, mal so dicht gesprenkelt, dass die Sterne den dunklen Hintergrund des Universums überbieten – macht die Nacht immer wieder alles zunichte. Weil man es nicht schafft, die Sonne einzuholen, auch wenn man ihr ununterbrochen hinterherjagt.

(Prolog zum Roman «Lux»)

Olivia Kuderewski, 1989 geboren, lebt in Berlin. „Lux“ ist ihr erster Roman. Sie hat vergleichende Literatur und Schreiben studiert, volontiert, bisher in wenigen Anthologien veröffentlicht und noch keinen Preis gewonnen.

Rezension und Interview von «Lux» auf literaturblatt.ch

Beitragsbild © Alain Barbero

Beatrix Langner «In memoriam friederike mayröcker»

grabstill aber und überfüllt mit zuhörern der saal dass man den druck des bleistifts auf dem papier hört leicht wie eine vorbeistreichende feder bist du geworden mein herz wie eine feder die ein vogel im flug verloren hat wo ist deine stimme geblieben rau von verzweiflung und versengt von der glut deiner fürchterlichen liebe du musst unter menschen gehen du mußt ihnen deinen atem lassen dich ihnen überlassen dich einlassen auf ihren atem aber du hast ja die sprache verloren sie sehen dich nicht wenn du da bist du bist da nicht wo du bist sondern der wannsee ist unruhig heute die leinen klirren im wind das wasser schlägt gegeneinander im streit obwohl der himmel leicht gefaltet liegt überm anderen ufer aber das wasser schlägt so unruhig gegen die boote es klatscht an die steinernen brüstungen unter dem saal wo du menschen einsaugst ich sauge mich voll mit menschen wie ein schwamm ich sauge die stimme ein der frau mit der bleichen haut trauerhaut unterm schwarzen haar diese leise fast schleppende stimme frau mit den großen füssen in männerschuhen und grabstill der saal und dieser nackte scheitel im schwarzen haarnest der wie eine naht liegt auf dem wirbel im zentrum der schwerkraft die ihr den kopf herabzieht über die großen schuhe witwenschuhe unter dem tisch und auf dem tisch das weiße viereck das mit schriftzeichen bedeckt ist und darüber dieser weiße scheitel der die berührung mit dem kissen mitgenommen hat in den saal über dem see die berührung eines fremden kopfkissens oder der sessellehne im ICE oder was sonst seine müdigkeit zurückgelassen haben mag die nistet im nackten scheitel im schwarzen haar diese weiße unbeschriftete zeile dieses mysterium der wörter dieser wundriss im schwarzen rahmen über der trauerhaut ich atme ihn ein

Beatrix Langner, 1950 geboren, ist promovierte Germanistin, Autorin und Literaturkritikerin und lebt in Berlin. Seit 1990 zahlreiche Rundfunk-Features und Kulturreportagen für DeutschlandRadio Berlin sowie Feuilletons und Kritiken für Süddeutsche Zeitung, Neue Zürcher Zeitung, Deutschlandfunk Köln u.a. Sie veröffentlichte eine Biografie über Jean Paul (C. H. Beck), für die sie 2013 den Gleim-Literaturpreis erhielt, und ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.

© Agnes Indermaur

Christoph Simon «Trau keinem Künstler»

Bevor wir ins Licht gezerrt und mit Preisen geehrt werden, leben wir Dichter im Untergrund. Um genau zu sein: In der Kanalisation. Zusammen mit Kriminellen, Flüchtlingen und Jungsozialisten. Wir ernähren uns vom Bodensatz der Weinflaschen, die wir im Schutz der Dunkelheit aus dem Altglas fischen. Manchmal finden Kanalarbeiter vom Städtischen Tiefbauamt unser Gekritzel an den Kanalwänden. Wundern sich über unsere Zigaretten- und Kerzenstummel. Brave Bürger, die in der Nähe eines Senklochs ihr Schlafzimmerfenster haben, hören unsere sehnsüchtigen Lieder und verwechseln sie vielleicht mit Geräuschen von Tagesverkehr oder Nachtgeistern. 
Neulich tigerte Kaiser unter einem Senkloch aufgeregt herum. Draussen war’s kalt und windig, und mich verwunderte Kaisers Aktivität. Gewöhnlich richtete er’s sich gemütlich ein unter Zieglers Plastiksäcken und notierte Tiefsinniges aus der Tiefe. Aufgeregt unter einem Senklochdeckel herumzustreichen, war nicht seine Art. Dort zog es nur und tropfte. 
„Willst du nach oben?“, fragte ich und hob den Senklochdeckel. Über uns die städtische Nacht. „Bring mir eine Flasche mit.“
Kaiser kletterte an mir vorbei die Leiter hoch. Ziegler und ich blickten ihm nach. Schauten ihm besorgt zu, wie er sich mitten auf die Strasse legte – nicht ungefährlich, so auf offener Strasse herumzuliegen. Aber dann hörten wir’s auch: Ein Piepen. Und dann erspähten wir ihn: Einen Kanarienvogel. Mit Tim&Struppi-Haartolle flatterte er auf der Verkehrsinsel herum – nicht ungefährlich, so auf einer Verkehrsinsel herumzuflattern. Offensichtlich fluguntauglich, vielleicht verletzt. 
Wie eine Raubkatze pirschte sich Kaiser an den Vogel heran. Wir ahnten, was er vorhatte. Ziegler sprang aus dem Senkloch und hielt Kaiser am Schuh fest und ich sprang an beiden vorbei, um den Vogel einzufangen, bevor ihn Kaiser oder Ziegler erwischen und über zwei Rechaudkerzen braten würden. Käme ich ihnen bei der Jagd zuvor, kriegte ich das bessere Stück ab. 
Aber ich näherte mich dem Vogel nicht vorsichtig genug. Verschreckt von meinem Nahen hüpfte er von seiner Insel herab, hüpfte über Strasse und Trottoir und verschwand hinter einem Gartenzaun, einem feuerverzinkten Gartenzaun in heimischer Topqualität, verschwand im Garten unserer Tomaten-, Basilikum- und Schnittlauchlieferantin. 
Ich ging ums Haus herum und klingelte bei der oberirdischen Nachbarin und erklärte ihr durch den Türspalt die Sachlage: Ein armer Vogel, verletzt in ihrem Garten. Die Nachbarin kam mit dem Bescheid zurück, der Vogel sei auf der Kastanie, ausserhalb jeglicher Reichweite. 
Doch flugfähig, dachte ich. Das Biest. 
Wenn ich heute mit sattem Magen im Plastiktütenlager schlafen wollte, musste gehandelt werden. Sofort verwandelte ich mich in einen unschuldigen, kränklichen Mann, der sich am Geländer vor der Haustür abstützt, mit dünner Stimme die vogelrettende Feuerwehr erwähnt und sich umständlich die Stirn abwischt. 
„Sie sind ja krank, junger Mann!“
„Ich hoffe nicht“, sagte ich. „Ich habe nur nichts Rechtes gegessen heute. Vor lauter tiefschürfender Arbeit.“
„Kommen Sie herein!“
Ich trat ins Wohnzimmer. Gerahmte Pferdefotos an der Wand. Die Dame in jüngeren Jahren, im Damensitz. Da wusste ich, was ich ihr erzählen musste.
Für einen Dichter wie mich hängt viel vom Erzählen einer guten Geschichte ab. Um an anständige Nahrung zu gelangen, ist ein Dichter genötigt, Geschichten zu erzählen, die nicht wahr oder wahrscheinlich sein müssen, nein, sie müssen zuallererst das Herz des Publikums rühren. 
Ich erzählte, wie ich vor wenigen Jahren, nach Mutters Tod, mit meinem Vater das heimische Dorf verlassen hätte. Wie ich unsere Pferde vermisste, mit denen wir unsere Felder demetergerecht gepflügt hätten. Oh, wie sehr ich sie vermisste, die Pferde, die wir nach Mutters Tod viel zu billig hätten weggeben müssen! 
Die Dame bot mir Speck an und kochte mir Eier, und ich erzählte, dass ich mir Geld vom Mund ab sparte, um die Pferde zurück zu kaufen.
„Wo sind die Pferde?“, fragt sie. 
„Im Freiburgischen“, sagte ich und beschrieb ihr rostbraunes Fell, ihre treuherzige Art im sozialen Umgang. Ich erzählte, wie ich ihnen zufällig bei einem Ausflug begegnet sei, an einer Schweizer-Familie-Feuerstelle, wo die Pferde mit den Cervelat-Kindern Runde um Runde gedreht hätten. Bis sie mich gesehen hätten, unbremsbar herangaloppiert seien und mir Gesicht und Hals abgeschleckt hätten. Je ein schreiendes, verkrampftes, für ein Reiterleben auf ewig verlorenes Vierjähriges auf dem Rücken. 
Die Dame legte eine Spur aus Kürbiskernen von der Kastanie bis in die Küche und fing dort den Kanarienvogel mithilfe eines Löchersiebs ein. Mit Fresspaketen unter dem Arm und neuen Wollsocken an den Füssen und einem Couvert mit hundert Franken in der Tasche liess sie mich ziehen. Den Kanarienvogel könne sie mir auch mitgeben, schlug ich vor. Aber sie versicherte mir, dass alles gut komme. Mit Vogel, Pferd und überhaupt allem.
Unten, in der Kanalisation, zum tropfenden Klang einer Wasserleitung und beim Geruch von süssem Gas, teilten sich Kaiser und Ziegler brüderlich die Wollsocken und machen sich über die Äpfel, das Brot, die Würste und das Glas eingemachte Gurken her. Ich hörte mir an, was zwischenzeitlich hier unten passiert sei. Sigis Ratten hätten einen Kanalarbeiter angefallen. Ahmed unter der Münsterplattform sei von der Polizei ausgeräuchert worden. Düstere Geschichten. Jetzt, wo ich mich zu den Geehrten und Belichteten zähle, möchte ich nichts mehr davon wissen.
Aber das ist der Reiz am Leben im Untergrund: Das Unerwartete springt dich an jeder Rohrbiegung an. Du weisst nie, was unter und über dem nächsten Senkloch geschehen wird, du siehst nur bis zur nächsten Wand. Und du kennst einzig die Freude Van Goghs, mit dem Licht von fünf auf den Hutrand gesteckten Kerzen die Dunkelheit zu malen. 

Christoph Simon (1972) ist Gewinner des Salzburger Stiers 2018, zweifacher Schweizermeister im Poetry Slam und Oltner Kabarett-Casting Sieger. Seine Romane und Texte sind in neun Sprachen übersetzt und mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet worden. Simon ist ein begnadeter Storyteller und ist aktuell mit seinem vierten Solo-Programm «Der Suboptimist» unterwegs. Er lebt als freier Schriftsteller, Kabarettist, Slam Poet und Mundart-Spoken-Word-Artist in Bern.

Rezension von «Die Dinge daheim» auf literaturblatt.ch

Rezension von «Swiss Miniatur» auf literaturblatt.ch

Beitragsbild © Michael Isler

Alexander Estis «Handwörterbuch der russischen Seele»

A

ARALSEE. Ob es im Aralsee Korallen gibt, das ist nach wie vor ungeklärt. Nicht weil man es nicht untersucht hätte, sondern weil man zu bequem ist, es nachzulesen.
Obwohl es also ungeklärt ist, ob es im Aralsee Korallen gibt, glauben viele, daß er seinen Namen von den darin möglicherweise vorhandenen Korallen hat und früher Korallsee hieß. Aber auch das ist natürlich ungeklärt.

ARBEITSTEILUNG. Einer schaufelt, zwanzig schnauben; einer schraubt und zwanzig schauen; einer schmiedet, zwanzig klauen; einer schreit und alle glauben.

ARMEE, UNSERE. Unsere unbesiegbare Armee, unser unschlagbares Heer, unsere braven Jungs, unsere tapferen Männer, unsere furchtlosen Verteidiger, unsere großen Eroberer, unsere glorreichen Gefallenen, unsere sieghaften Versehrten, unsere hilflosen Invaliden, unsere hungernden Veteranen, unsere verarmten Rückkehrer, unsere nicht zurückkehrenden Kinder.

AUSLAND, Ausland! Wieso willst du in dieses Ausland, Swetlana? Es ist nicht gut hier, sagst du? Aber im Ausland eben auch nicht, Swetotschka, nein, sogar noch schlechter. Wie viel mehr schreckliche Katastrophen ereignen sich im Ausland als hier? Wie viel mehr verrückte Absurditäten? Und wie viel mehr Terror und Krieg? Die Kriege sind alle im Ausland, Swetlanotschka, selbst unsere Kriege. Schalt doch den Fernseher mal an. Im Ausland ist alles schlechter, zumindest vom moralischen Standpunkt aus. Und der moralische Standpunkt, Swetlana, wo ist der? Hier!

B

BABUSCHKA Großmutter, alte Frau. Babuschka heißt eigentlich Matrjoschka. In einer Matrjoschka ist immer noch eine und darin noch eine, und darin wiederum noch eine. Babuschkas kommen meist auch zu mehreren vor, aber sie sind innen hohl.
Babuschkas bilden die stabilste Institution Rußlands. Babuschka ist Gesetzgeberin, Strafverfolgerin, Staatsanwaltschaft, Rechtsprechung und Strafvollzieherin in einem. Ihr Hauptwerkzeug, das Geschnatter, von dem man nie wissen kann, ob es von ihr selbst oder von den sie begleitenden Elstern ausgeht, ist, demgemäß, zugleich Gesetz, Urteil und Höchststrafe. Es verfolgt und findet dich überall.
Also kauf dir lieber Matrjoschkas.

BAUMSTUMPF. Wenn ein Verbannter nach drei Jahrzehnten ins heimatliche Dorf zurückkehrt, aus solcher Gegend, wo ödes Felsgrau oder das trockene Gras der Steppe oder nur weißer, unendlich weißer Schnee den Boden zudeckt; wenn ein Verbannter von dort zurückkehrt und findet keinen, nur leere Häuser, nur, längst erkaltet, Kohle, Asche, dann lehnt er sich an eine Mauer oder hinunter schaut er in den Brunnen oder er setzt sich auf einen Baumstumpf und bleibt dort sitzen.

BALALAIKA Russisches Saiteninstrument; ebenso die Gusli. Die Balalaika hat nur drei Saiten, und zwei davon sind auch noch gleich. Aber ich mag die Balalaika trotzdem. Manchmal denke ich, das ist doch öde, drei Saiten, und zwei davon auch noch gleich. Nicht nur gleich, sogar identisch, ganz identisch, fast als wäre es eine einzige Saite. Dann hätte die Balalaika insgesamt sogar nur zwei Saiten. Und das ist doch öde, denke ich manchmal.
Balalaika, sage ich dann vorwurfsvoll, sieh dir die Gusli mal an, sage ich, so viele Saiten hat die Gusli, die kann ich nicht einmal zählen! Aber die Balalaika antwortet: Iwan, wenn du sie nicht zählen kannst, dann kannst du sie auch nicht spielen. Also sei es zufrieden. Und sie hat recht!

BALLETT. Das Ballett ist ein Traum, weil der Mensch vom Ballett träumt. Der Mensch träumt von den schwindelerregenden Pirouetten, von den artigen Pas de trois, von der schwerelosen Akkuratesse der Bewegung; davon träumt der Mensch.
Aber in Wirklichkeit träumt er nicht vom Ballett, er träumt vielmehr davon, vom Ballett zu träumen. In Wirklichkeit träumt er von Warmwasser. Davon träumt der Mensch. Oder vielleicht von Wohnraum. Aber er würde gern von was anderem träumen, der Mensch, und zwar vom Ballett.

BÄR, DER. Der Bär, das ist ein richtiger Russe. Er redet nicht gern, brummt nur vor sich hin, und nicht einmal das macht er gern. Er ist mürrisch und träge. Erst wenn du ihn am Riemen ziehst und mit dem Zuckerwürfel lockst, wenn du ihn wachrüttelst, ihn, sozusagen, involvierst in den Trubel, dann erst wird er rege, kommt in Fahrt, jongliert, brüllt, tanzt dir was vor auf der Arena. Danach nimmt er seinen Zuckerwürfel entgegen. Und dann wird er wieder mürrisch, kauert sich in die Ecke seines Käfigs und leckt sich die Pfoten.

BAZAR Markt; Händel. Maxim sagt, Kostja sei ein Gauner und ein Dieb obendrein. Kostja sagt, das sei reine Verleumdung, weil Maxim einen Neid habe auf seinen, also Kostjas, neuen Wagen. Kostja sagt, Maxim gebe sich für einen Polizisten aus, sei aber in Wirklichkeit nur ein Bahnkontrolleur, und selbst das nur im Regionalverkehr. Maxim sagt, Wirklichkeit sei ein Konstrukt und allein der Geist der Sittlichkeit könne uns retten. Kostja sagt, Maxim sei ein hundselender Idealist. Maxim sagt, Kostja sei Materialist und gerade deswegen ein Gauner, egal ob er den Wagen ge- stohlen habe oder nicht. – Was für ein Bazar!

BEMITLEIDEN, SICH SELBST. Wir haben gelernt, uns niemals selbst zu bemitleiden. Wir sind unermüdliche, eherne Pioniere, wir sind allzeit bereit. Doch auf Dauer zermürbt es natürlich, immer bereit zu sein, ehern und unermüdlich, nie sich selbst zu bemitleiden, auf Dauer raubt das alle Kraft. Ach, wir armen, wir elenden Pioniere!

BENEHMEN. Der Russe kann sich nicht benehmen, besonders in Deutschland, und zwar weil er nicht muß. Müßte er sich benehmen, könnte er es allerdings auch nicht, und zwar weil er nicht will. Aber wollte er sich benehmen, dann könnte er es, auch wenn er’s nicht müßte.

BESOBRASIE. Ungestalt, Formlosigkeit, Schande und Häßlichkeit. Davon gibt es in Rußland viel, aber auch außerhalb; aber vor allem innerhalb. Sagen wir, deine Frau hat dich verlassen, aber nicht einfach so, sondern sie hat den Schmuck deiner Großmutter mitgenommen, aber nicht einfach mitgenommen, sondern verkauft und mit dem Geld einen Anwalt bezahlt, aber keinen einfachen, sondern mit Beziehungen, und der hat Alimente durchgesetzt, und nun suhlt sich die Frau auf den Malediven im Sand und schlürft Mojitos und hat sich sogar Großmutters Schmuck zurückgekauft: wie fühlst du dich da? Und, sagen wir, gleichzeitig ist auch noch Krieg irgendwo im Kaukasus. Besobrasie.

BIRKEN. Weißt du, Bruder, Birken gibt es nur in Rußland. In den unendlichen heimatlichen Wei- ten, die es auch nur in Rußland gibt. Du sagst, es gibt woanders auch Birken? Das weiß ich doch, du Esel. Es gibt auch woanders Birken. Aber eben nicht solche Birken. Das hier sind schlanke, hochgewachsene Birken, wie im Lied, Birken- mädchen sind das. Verstehst du? Es sind unsere Birken. Hör mir auf mit deinem woanders, du profaner Kerl. Es gibt nur hier russische Birken, nirgends sonst. Und warum? Weil es woanders die heimatlichen Weiten nicht gibt, Bruder, dar- um gibt es auch nicht die russischen Birken.

BLINYS Russische Pfannkuchen. Singular: Blin; Plural: Bliny. Blinys ist die Mehrzahl von Bliny. Bliny wiederum ist die Mehrzahl von Blin. Schon dadurch sind Blinys sehr demokratisch. Darüber hinaus sind sie aber noch rund, sodaß man von jeder Seite gleich gut abbeißen kann. Sehr demokratisch. Aber das ist noch nicht einmal alles. Zusätzlich kann man sie mit allem möglichen befüllen, mit Schmand, mit Pastete, mit Marmelade, mit Kaviar, sogar mit deutscher Mettwurst oder amerikanischer Erdnußbutter. Ja, das ist alles möglich. Und das ist noch immer nicht alles. Blinys schmecken allen gleich gut, ob du aus Jakutien kommst, aus Mordwinien oder Baschkirien, ob du Holzfäller bist oder Leiter der Nationalbank, ob Patriot oder Staatsfeind. Ja, sogar dem Staatsfeind schmeckt es. Blinys sind reine demokratische Materie. Nur geplättet.

BORSCHTSCH. Borschtsch muß man schlürfen. Richtig mit Geräusch. Deshalb heißt er auch so: Borschtsch. Vorher muß man ihn allerdings kochen. Dazu braucht man Herzblut, Geduld und Rote Beete, von allem etwa gleichviel. Am Ende gibt man Schmand hinzu. Man schmeißt ihn, schleudert, schmettert ihn richtig in den Suppenteller. Deshalb heißt er auch Schmand.

BREITE DER SEELE. Die deutsche Seele ist in ihren Maßen konstant. Mit der russischen Seele verhält es sich ganz anders. Nicht an jeder Stelle ist die russische Seele gleich breit. Oft kommt es einfach darauf an, wie sie gerade liegt. So kann sie sich wider jedes Erwarten plötzlich als außerordentlich breit erweisen oder umgekehrt. Das ist das Geheimnis ihrer Breite.

(Die wiedergegebenen Texte sind nur die jene unter den Anfangsbuchstaben A und B!)

Alexander Estis wurde 1986 in einer jüdischen Künstlerfamilie in Moskau geboren; hier erhielt er eine Ausbildung an Kunstschulen und bei Moskauer Künstlern. Seit 2016 lebt er als freier Autor in Aarau. Alexander Estis arbeitet vorwiegend in literarischen Kleinformen (Kürzestprosa, Aphoristik, Glossen, szenische Miniaturen, Epigramme und lyrische Fragmente). Seine Texte werden in Anthologien und Zeitschriften (u.a. Sinn und Form, Lichtungen, Entwürfe) sowie als eigenständige Sammlungen publiziert. Ausserdem verfaßt er Essays, Glossen und Kolumnen (NZZ, Frankfurter Rundschau, Berner Zeitung, The European, Unabhängige Moskauer Zeitung u.a.). Für seine Texte erhielt er mehrfach Auszeichnungen und Stipendien, zuletzt den Rolf-Bossert-Gedächtnispreis. 2020–2021 ist er Lydia-Eymann-Stipendiat in Langenthal (Schweiz).

Alexander Estis «Handwörterbuch der russischen Seele.
Für den täglichen Privatgebrauch in deutschen Haushalten»,
Parasitenpresse Köln, 2021, mit Zeichnungen von Lydia Schulgina
70 Seiten, CHF 19.00, ISBN: 978-3-947676-70-5

Was ist der Unterschied zwischen Babuschka und Matrjoschka? Warum gibt es nur in Rußland richtige Birken? Wo gelangt man hin, wenn man mit der Transsibirischen Eisenbahn fährt? Warum hat die Balalaika nur drei Saiten? Worin besteht die Aufgabe des FSB? Welcher Kaviar schmeckt besser – roter oder schwarzer? Warum ist Putin fast wie Puschkin? Und vor allem: Weshalb ist die russische Seele so breit? Wer sich diese und ähnliche Fragen schon einmal gestellt hat, wird im »Handwörterbuch der russischen Seele« von Alexander Estis fündig werden – aber keine Antworten erhalten.

Webseite des Autors

Christian Futscher «Der Vogel»

Es war an meinem zehnten oder elften Geburtstag, als mein Vater bei meiner Geburtstagsfeier, die in einem Garten stattfand, auf einen Baum kletterte. 
Als er oben war, rief er: „Ich bin ein Vogel!“ 
Dann begann er zu pfeifen und zu zwitschern.
Meine Freunde fanden das lustig, ich nicht.
Mein Vater bewegte die Arme, als ob sie Flügel wären. 
Dabei fiel er fast vom Baum.
Meine Freunde lachten, ich nicht.
„Komm sofort herunter!“, rief ich.
Als er endlich wieder unten war, sagte ich: „Wenn du noch einmal lustig bist, dann bringe ich mich um.“ 
Er hat nicht aufgehört, lustig zu sein.
Und ich lebe immer noch.

 

Kuh spielen

Im Schwimmbad trafen wir Freunde von mir, die sich zu uns setzten.
„Wer spielt mit mir Kuh?“, fragte mein Vater plötzlich in die Runde.
Meine Mutter und ich sahen uns an.
„Wie geht das?“, fragte einer meiner Freunde, und mein Vater antwortete: „Auf allen vieren durch die Wiese gehen, immer wieder laut muhen, mit dem Mund Gras zupfen, blöd in die Luft schauen …“, und nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: „und mit dem Schwanz die Fliegen vertreiben!“ 
Daraufhin musste er selbst am meisten lachen. 

 

Die bissige Banane

Einmal waren zwei Freunde von mir zu Besuch, die auch mit uns zu Abend aßen. Es gab Würstel mit Senf und Ketchup.
Nach dem Essen gingen meine Freunde und ich ins Wohnzimmer, um dort fernzusehen. 
Plötzlich stürmte mein Vater mit einer geschälten Banane in der Hand ins Zimmer und rief: „Hilfe, die Banane hat mich gebissen! Au weh, au weh, tut das weh!“
In ein Ende der geschälten Banane hatte er einen geöffneten Mund, das heißt, ein aufgerissenes Maul hineingeschnitten, an dem sich etwas Ketchup befand. Und auch auf dem linken Unterarm, in den ihn die Banane gebissen hatte, war Ketchup.  
Mein Vater zeigte auf die Wunde an seinem linken Unterarm und wiederholte mit schmerzverzerrtem Gesicht: „Die Banane hat mich gebissen! Böse Banane! Ganz ganz bö-se Ba-na-ne!“
Später im Bett soll ich zu ihm gesagt haben, er sei „deppert, ultradeppert und sogar ultraschalldeppert“.

 

Lumpi

Irgendwann trieb mein Vater in einem Geschäft für Zauberartikel eine ganz besondere Hundeleine auf. Sie war verstärkt, in ihrem Inneren musste sich ein dickerer Draht befunden haben oder so etwas, an ihrem Ende war ein Hundegeschirr angebracht. Wenn man die Leine entsprechend hielt, sah es aus, als ob ein unsichtbarer Hund an der Leine wäre – eine beeindruckende, fast perfekte Illusion.
Mein Vater war begeistert von dieser Hundeleine. 
Dem unsichtbaren Hund gaben wir den Namen Lumpi.
„Lumpi ist ein Traumhund!“, sagte mein Vater. „Er bellt nicht, er haart nicht, er braucht nichts zu fressen und zu trinken, er beschwert sich nicht, jagt keinen Katzen nach, kackt nicht auf den Gehsteig, nicht einmal Gassi gehen muss man mit ihm.“  
Auch ich war eine Zeitlang begeistert von Lumpi.
Auf unseren Spaziergängen wurden wir immer wieder auf unseren unsichtbaren Hund angesprochen, was oft recht unterhaltsam war.
Kinder kamen gelaufen, interessierten sich für Lumpi, der auch recht laut knurren konnte, wenn mein Vater Lust hatte zu knurren.

 

Die Erbse

Meine Eltern und ich saßen in einem Gastgarten beim Essen. Auf meinem Teller befanden sich Fleisch mit Reis, Kohlsprossen und Erbsen. 
Während ich es mir schmecken ließ, sagte meine Vater plötzlich: „Die Erbsen sind die kleinen Brüder der Kohlsprossen.“ 
Ich korrigierte ihn: „Nein, es sind ihre Kinder!“
„Brüder!“
„Kinder!“
„Brüder!“
„Kinder!“

Meine Mutter mischte sich ein und rief: „Ruhe!“
„Nur eins noch“, sagte mein Vater: „Egal, ob die Erbsen die Brüder oder die Kinder der Kohlsprossen sind, keine von ihnen wird überleben!“ 
Kurz darauf sagte er: „Doch, eine schon!“ und wischte mit dem Messer eine Erbse vom Teller, so dass sie auf die Erde fiel.
Meine Mutter verdrehte die Augen, worauf er mit Unschuldsmine sagte: „Ich bin mit dem Messer ausgerutscht!“
Da musste ich so lachen, dass ich einen regelrechten Lachkrampf bekam. 
Ich konnte sehen, wie sich mein Vater darüber freute. 
Und auch meine Mutter musste jetzt lachen.
Dann setzte mein Vater noch eins drauf. Er trat mit dem Schuh auf die Erbse und sagte bedauernd: „Nein, leider, auch sie überlebt nicht. Das Leben ist hart! Hart wie eine Schuhsohle.“

(Alle Texte mit spezieller Erlaubnis zur Veröffentlichungen aus «Mein Vater, der Vogel»)

Christian Futscher «Mein Vater, der Vogel», Czernin, 2021, 160 Seiten CHF 30.90, ISBN 978-3-7076-0728-4

Christian Futscher, geboren 1960 in Feldkirch, Studium der Germanistik, lebt seit 1986 in Wien, wo er u. a. Pächter eines Stadtheurigen war. 1998 erfolglose Teilnahme beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt, dafür 2006 Publikumspreis bei der «Nacht der schlechten Texte» in Villach. 2008 Gewinner des Dresdner Lyrikpreises. 2014 österr.-ungarisches Austauschstipendium. Seit 2010 Verfasser von Schulhausromanen mit Schulklassen. 2015 Aufenthaltsstipendium in Schloss Wartholz und 2016 in Winterthur.

Rezension von «Mein Vater, der Vogel» mit Interview auf literaturblatt.ch